Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
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Mit anderen Worten, ausgehend von der Annahme, dass das Altfranzösische eine Verb-<br />
Zweit-Sprache gewesen ist, können Sätze wie (7) nicht das Ergebnis qualitativer Änderungen<br />
des sprachlichen Inputs sein, sondern nur das Resultat einer zuvor erfolgten Reanalyse.<br />
Dies führt wieder zu der Frage, auf Grund welcher Evidenz Kinder eine solche Reanalyse<br />
vorgenommen haben können.<br />
Ein Versuch, eine Antwort auf diese Frage zu geben, stellt die bereits in Abschnitt<br />
3.3.4.1 diskutierte Analyse von Platzack (1995) dar. Abgesehen von den bereits erörterten<br />
empirischen Schwierigkeiten weist diese Analyse aber auch in theoretischer Hinsicht Probleme<br />
auf. Zwar ist die von Platzack angenommene Klitisierung der Subjektspronomina<br />
und das damit verbundene Auftreten von Sätzen mit einer Verb-Dritt-Stellung mit einer<br />
Verb-Zweit-Grammatik der Erwachsenensprache vereinbar, dennoch kann diese angenommene<br />
strukturelle Veränderung der Erwachsenensprache den postulierten Wandel des Französischen<br />
von einer Verb-Zweit- zu einer Nicht-Verb-Zweit-Sprache nicht erklären. Denn<br />
die Möglichkeit zur Bildung von Sätzen, die oberflächlich eine Verb-Dritt-Stellung aufweisen,<br />
bleibt ausschließlich auf Sätze mit klitischen Subjektspronomina beschränkt. Nominale<br />
Subjekte hingegen können nicht präverbal auftreten, wenn eine weitere Konstituente dem<br />
Verb voransteht. Das heißt, Sätze mit einem satzinitialen Nicht-Subjekt erfordern die postverbale<br />
Stellung eines Subjektsnomens und liefern damit eindeutige Evidenz für die Festlegung<br />
des Verb-Zweit-Parameters auf den ursprünglichen Wert. Wie bereits gezeigt, kommt<br />
es dennoch in einer solchen Situation nach Ansicht von Platzack (1995) deshalb zu einer<br />
Reanalyse und einer anschließenden Parameterumfixierung, weil solche Sätze mit nominalen<br />
Subjekten in der gesprochenen Umgangssprache sehr selten sind und aus diesem Grund<br />
von den Kindern als Evidenz für eine Verb-Zweit-Struktur ignoriert werden.<br />
Damit trifft Platzacks Kritik an bisherigen Analysen des Verlusts der Verb-Zweit-Stellung,<br />
wonach ein Parameterwechsel nicht eintreten kann, solange eindeutige Triggerevidenz<br />
vorhanden ist, auch auf seine eigene Analyse zu. Nach Ansicht von Kiparsky<br />
(1997:464) stellt der im vorangehenden Abschnitt zitierte Einwand von Platzack<br />
(1985:206) sogar generell jegliche Art von Reanalyse in Frage:<br />
Platzack's objection that all the unambiguous evidence favoured the V2 analysis counts equally<br />
against his own proposal; in fact it counts equally against any pure reanalysis account of any<br />
change whatever. For prior to actual reanalysis, the data will always divide that way: some of it<br />
will be equally consistent with both analyses and some will positively support the old.<br />
An diese Schlussfolgerung schließt sich nun die Frage an, inwiefern Sprachwandelphänomene<br />
überhaupt durch den Prozess des Parameterwechsels erfasst werden können. Es zeigt<br />
sich, dass die von Lightfoot geforderten "changes in trigger experiences" als notwendige<br />
Voraussetzung für grammatischen Wandel offenbar sehr spezifischer Art sein müssen, um<br />
einen Wandel parametrisch festgelegter Eigenschaften hervorrufen zu können. Quantitative<br />
Änderungen des erwachsenensprachlichen Inputs können nicht zu einem Wandel dieser<br />
Eigenschaften führen, solange im Input Daten vorhanden sind, die als Trigger für die Fixierung<br />
des Parameters auf den ursprünglichen Wert fungieren. Strukturelle Änderungen sind<br />
deshalb ausgeschlossen, weil sie dergestalt sein müssten, dass sie in der Erwachsenensprache<br />
selbst eine Umfixierung des Parameters voraussetzen würden. Diese Möglichkeit ist<br />
jedoch grundsätzlich auszuschließen.