Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
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4.2 Parameterwechsel durch Dialekt- oder Sprachkontakt?<br />
Ein Versuch, ein Modell des Parameterwechsels zu entwerfen, das die aufgezeigten Probleme<br />
vermeidet, basiert auf der Annahme, dass zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt<br />
die sich ändernde Sprache in Kontakt mit einer oder mehreren Dialekten der gleichen<br />
Sprache oder einer oder mehreren anderen Sprachen gestanden haben muss. Voraussetzung<br />
ist, dass der oder die Parameter, deren Fixierung sich ändert, in den miteinander in Kontakt<br />
tretenden Dialekten oder Sprachen auf unterschiedliche Werte gesetzt sind.<br />
Ein solcher Vorschlag stammt von Lightfoot (1997a, 1997b, 1999), der damit den Verlust<br />
der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft im Englischen zu erklären versucht. Er knüpft an<br />
eine Studie von Kroch / Taylor (1997) über die Wortstellungsverhältnisse im Alt- und<br />
Mittelenglischen an. Darin beobachten die Autoren im Mittelenglischen signifikante dialektale<br />
Unterschiede hinsichtlich der Stellung des finiten Verbs. In dem von ihnen untersuchten<br />
Text, der den südlichen Dialekten zuzuordnen ist, konstatieren sie eine starke Variation<br />
hinsichtlich der Verb-Zweit-Stellung. Demgegenüber ist das untersuchte Dokument<br />
des nördlichen Mittelenglischen durch eine strenge Verb-Zweit-Stellung gekennzeichnet<br />
(cf. auch Haeberli 1999:387ff., 2000). Dieser Unterschied zwischen beiden Dialekten manifestiert<br />
sich der Analyse der beiden Autoren zufolge darin, dass der nördliche Dialekt über<br />
die – parametrisch festgelegte – obligatorische V-nach-COMP-Bewegungsregel in allen deklarativen<br />
Matrixsätzen verfügt. Im südlichen Dialekt hingegen kann das Verb nur in bestimmten<br />
Kontexten nach COMP angehoben werden, während es in anderen Kontexten nur<br />
an einen funktionalen Kopf unterhalb von COMP bewegt wird.<br />
Die Annahme von Lightfoot (1997b:269) lautet, dass es zu einem Parameterwechsel dadurch<br />
kommen konnte, dass die beiden Dialekte auf Grund von "population movements"<br />
miteinander in Kontakt getreten sind. Er vermutet, dass Sprecher eines dieser Dialekte sich<br />
im Gebiet des anderen Dialekts angesiedelt haben, wodurch den Kindern der jeweiligen<br />
Sprachgruppen Evidenz für eine Sprache mit einem anders gesetzten Parameter geliefert<br />
wurde. Entscheidend ist für Lightfoot die Tatsache, dass in dieser Situation des Kontakts<br />
Kinder der Sprecher des nördlichen Dialektes nun mit einer Varietät ihrer Sprache konfrontiert<br />
werden, in der eindeutige Evidenz gegen eine V-nach-COMP-Bewegung (z.B.<br />
Verb-Dritt-Sätze) und keine Evidenz für eine solche Bewegung, nämlich deklarative Matrixsätze<br />
mit einer Subjekt-Verb-Inversion, existiert. Lightfoot nimmt an, dass damit für<br />
diese Kinder die Möglichkeit besteht, eine Reanalyse ihrer Muttersprache vorzunehmen<br />
und den entsprechenden Parameter auf den Wert '-V2' festzulegen. Gefördert wird nach<br />
Ansicht von Lightfoot diese Reanalyse dadurch, dass in dem eigenen muttersprachlichen<br />
Dialekt der prozentuale Anteil von Sätzen mit einer Subjekt-Verb-Inversion in dieser bidialektalen<br />
Situation derartig gering ist, dass diese Sätze von den Kindern nicht mehr als<br />
Evidenz gegen eine Reanalyse wahrgenommen werden. Damit versucht Lightfoot der Tatsache<br />
gerecht zu werden, dass durch die erwachsenen Sprecher des nördlichen Dialekts den<br />
Kindern im Input ihres eigenen Dialekts weiterhin Evidenz für eine Verb-Zweit-Grammatik<br />
und gegen eine solche Reanalyse geliefert wird. Unklar bleibt bei dieser Analyse Lightfoots<br />
allerdings, warum in der von ihm angenommenen Situation des Dialektkontaktes sich nicht<br />
der nördliche Dialekt durchgesetzt hat und damit zur Entwicklung des Englischen zu einer<br />
strengen Verb-Zweit-Sprache geführt hat. Diese Möglichkeit wird von Lightfoot gar nicht<br />
in Betracht gezogen.