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Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft

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Text V1 V2 V>2<br />

SV(X) XVS<br />

rol 11% 54% 20% 15%<br />

Tabelle (3): Prozentualer Anteil der Verbstellungsmuster der ersten 100 Matrixsätze mit realisiertem<br />

Subjekt (nach Kaiser 2000:16f.)<br />

Diese von der Roberts'schen Auszählung teilweise sehr stark divergierenden Ergebnisse<br />

lassen sich meiner Ansicht nach nur dadurch erklären, dass Roberts entsprechend der von<br />

ihm gegebenen Interpretation der Daten offenbar nur solche Fälle als V>2 Sätze rechnet, in<br />

denen das Subjekt dem Verb (unmittelbar) folgt. Solche Sätze wie in (30), in denen das<br />

Subjekt – zusammen mit einer oder mehreren weiteren Konstituenten – dem Verb voransteht,<br />

werden offensichtlich nicht berücksichtigt.<br />

Ein weiteres empirisches Manko der Analyse von Roberts besteht darin, dass keine Unterscheidung<br />

zwischen Prosa- und Nicht-Prosa-Texten vorgenommen wird. Wie bereits<br />

erwähnt, entspricht dies der üblichen Praxis vieler – insbesondere generativer – Untersuchungen<br />

des syntaktischen Wandels. Auffallend ist, dass Roberts offensichtlich auch bei<br />

der Analyse von Aucassin et Nicolete nicht zwischen den prosaischen und lyrischen Kapiteln<br />

unterscheidet. Dies ist vor allem deshalb zu kritisieren, weil – wie bereits Thurneysen<br />

(1892:296) in seiner Untersuchung dieses Textes überzeugend nachweist – gerade der<br />

Vorteil in der Analyse dieser Chantefable darin besteht, dass sich dabei "die seltene Gelegenheit<br />

[bietet] zu konstatieren, wie sich die poetische Sprache eines mittelalterlichen<br />

Dichters zu den herrschenden Sprachgewohnheiten verhielt". Thurneysens Beobachtungen<br />

zufolge zeigt sich deutlich, dass in den poetischen Abschnitten des Textes "sämtliche<br />

Hauptregeln der Verbalstellung ohne Scheu bei Seite geworfen werden" (Thurneysen<br />

1892:296). Folglich ist eine Analyse, die diese Abschnitte nicht gesondert betrachtet, weder<br />

in der Lage, diesen Tatbestand überhaupt zu erkennen, noch geeignet, die "herrschenden<br />

Sprachgewohnheiten" herauszuarbeiten.<br />

Es sollte also klar geworden sein, dass eine empirische Datenanalyse, wie sie von Roberts<br />

(1993) vorgelegt und wie sie in vielen anderen generativen Untersuchungen in ähnlicher<br />

Weise vorgenommen wird, nicht geeignet sein kann, eine adäquate Antwort auf die<br />

Frage nach der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft des Altfranzösischen sowie anderer altromanischer<br />

Sprachen zu finden. Bevor eine solche Analyse vorgelegt wird, die diesen Anforderungen<br />

gerecht zu werden versucht, sollen im Folgenden zunächst die hier vorgestellten<br />

Untersuchungen dahingegehend betrachtet werden, wie der Wandel der Verbstellung im<br />

Französischen zu erklären versucht wird.<br />

3.3.3 Traditionelle Erklärungsansätze<br />

Die bisherige Darstellung der traditionellen Wortstellungsanalysen hat gezeigt, dass die Untersuchungen<br />

des 19. Jhdts. und des frühen 20. Jhdts. zur Wortstellung im Französischen<br />

primär deskriptiv ausgerichtet sind. Erst in den Arbeiten aus den 30er und 40er Jahren werden<br />

verstärkt mögliche Gründe der Entstehung und der Entwicklung der französischen<br />

Wortstellung und insbesondere der Subjekt-Verb-Inversion erörtert. Viele der dabei vorgeschlagenen<br />

Erklärungsansätze sind eingebettet in den theoretischen Rahmen des – an Wilhelm<br />

von Humboldt anknüpfenden – Idealismus von Karl Voßler oder der Völkerpsycholo-<br />

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