Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
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36<br />
(50) wh-Kriterium (Rizzi 1990b:64):<br />
(a) Ein wh-Operator muss in einer Spezifizierer-Kopf-Beziehung zu einem X 0 [+wh]<br />
stehen.<br />
(b) Ein X 0 [+wh] muss in einer Spezifizierer-Kopf-Beziehung zu einem wh-Operator<br />
stehen.<br />
Nach Ansicht von Rizzi handelt es sich bei diesem Kriterium um ein universales Prinzip,<br />
das je nach Einzelsprache entweder auf der S-Struktur oder auf der Ebene der Logischen<br />
Form (LF) erfüllt werden muss. Für das Englische und Französische nimmt Rizzi an, dass<br />
die durch das wh-Kriterium geforderte Spezifizierer-Kopf-Beziehung bereits auf der S-<br />
Struktur hergestellt sein muss. Damit will er der Tatsache Rechnung tragen, dass in diesen<br />
Sprachen die wh-Phrase in eingebetteten Interrogativsätzen nicht in situ bleiben kann, d.h.<br />
noch vor der LF-Ebene aus ihrer Basisposition herausbewegt werden muss (Rizzi<br />
1990b:65ff. u.75, 1990c:378):<br />
(51) en. (a) *I wonder [CP [C' [COMP[+wh]] [IP Mary has seen who]]].<br />
(b) I wonder [CP whoi [C' [COMP[+wh]] [IP Mary has seen t ]]].<br />
i<br />
(52) fr. (a) *Je ne sais pas [CP [C' [COMP[+wh]] [ elle a rencontré qui]]].<br />
ich NEG weiß nicht sie hat getroffen wen<br />
(b) Je ne sais pas [CP quii [C' [COMP[+wh]] [ elle a rencontré ti]]].<br />
ich NEG weiß nicht wen sie hat getroffen<br />
Rizzi führt die Grammatikalitätsunterschiede in (51) und (52) darauf zurück, dass die<br />
COMP-Position auf Grund der Selektionseigenschaften des Matrixverbs mit dem Merkmal<br />
[+wh] spezifiziert ist. Durch die Annahme, dass das wh-Kriterium bereits auf der S-Struktur<br />
erfüllt werden muss, wird die overte Anhebung der wh-Phrase in die SpezCP-Position verlangt.<br />
Dort fungiert sie als wh-Operator und kongruiert mit dem [+wh]-markierten Kopf. 20<br />
Diese Analyse wirft die Frage auf, wie in Matrix-Interrogativsätzen, in denen COMP<br />
nicht durch Selektion eines regierenden Matrixverbs [+wh]-markiert ist, das wh-Kriterium<br />
erfüllt wird. Rizzis Analyse zufolge ist in diesen Sätzen INFL der Träger des Merkmals<br />
[+wh], d.h. Träger eines "substantive feature whose interpr[e]tation is 'the carrier of this<br />
feature designates a question'" (Rizzi 1990c:378). Unabhängige Evidenz für diese Annahme<br />
sieht er darin, dass in verschiedenen Sprachen Interrogation durch eine besondere Verbmorphologie<br />
ausgedrückt werden kann. 21 Die [+wh]-Markierung von INFL bewirkt, dass<br />
20 Rizzi (1990b:73) geht dabei von der Annahme aus, dass eine wh-Phrase erst dann zum Operator<br />
wird, wenn sie in einer Skopusposition, d.h. in einer linksperipheren Nicht-Argument-Position<br />
(z.B. SpezCP) erscheint. Damit gilt das wh-Kriterium für wh-Phrasen erst dann, wenn sie sich<br />
nicht mehr in ihrer Basisposition innerhalb der VP oder in einer rechtsperipheren Position befinden.<br />
In Sprachen wie z.B. Chinesisch oder Japanisch, in denen das wh-Kriterium erst auf der LF-Ebene<br />
erfüllt sein muss, können die wh-Phrasen auf der S-Struktur in situ bleiben. Daher sind Sätze, die<br />
den ungrammatischen Beispielen in (51) und (52) entsprechen, in diesen Sprachen grammatisch<br />
(Friedemann 1997:189).<br />
21 Rizzi (1990b:66) nennt als Beispiele für solche Sprachen Hausa und das westaustronesische<br />
Palauan (cf. Haïk 1990 und Georgopoulos 1991). Bemerkenswerterweise ist auch für das Französische<br />
vorgeschlagen worden, dass es eine derartige Verbmorphologie aufweist. Noonan (1989) beispielsweise<br />
interpretiert das in umgangssprachlichen Interrogativsätzen des Québec-Französischen<br />
häufig verwendete enklitische tu als offenes [+wh]-Merkmal, das in INFL basisgeneriert ist.