Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
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an eine IP adjungiert worden sein. Das heißt, diese Sätze haben eine Änderung erfahren, die<br />
darin besteht, dass die satzinitiale CP nun als IP bzw. AgrP interpretiert wird. 4<br />
Die zentrale, den Sprachwandel betreffende Frage lässt Roberts dabei allerdings vollkommen<br />
unbeantwortet. Er macht nämlich keinerlei Angaben darüber, wie es im Mittelfranzösischen<br />
zu einer solchen Änderung, d.h. zur Bildung von Sätzen, die mit einer Verb-<br />
Zweit-Grammatik unvereinbar sind, überhaupt kommen kann. Es ist zu vermuten, dass<br />
Roberts davon ausgeht, dass es sich dabei um das Resultat einer durch Kinder vorgenommenen<br />
Reanalyse handelt. Dabei ist jedoch unklar, auf Grund welcher Daten Kinder diese<br />
Reanalyse vorgenommen haben können.<br />
Wie eben gezeigt wurde, ist auszuschließen, dass der Auslöser für diese Reanalyse auf<br />
Grund quantitativer Veränderungen des erwachsenensprachlichen Inputs erfolgt ist. Eine<br />
andere Möglichkeit wäre anzunehmen, dass die Bildung von Sätzen wie (7) auf strukturelle<br />
Änderungen in der erwachsenensprachlichen Grammatik zurückzuführen ist. Damit wäre<br />
der Wandel der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft durch Veränderungen innerhalb der Erwachsenensprache<br />
selbst bedingt und nicht auf deren Reanalyse durch die Kinder einer<br />
neuen Generation zurückzuführen. Die Konsequenz dieser Annahme bestünde darin, dass<br />
parametrischer Wandel als ein vom kindlichen Spracherwerb unabhängiger Prozess angesehen<br />
werden würde. Damit würde allerdings eine der zentralen Grundannahmen der generativen<br />
Sprachwandeltheorie aufgegeben werden. Des Weiteren wirft diese Annahme die<br />
Frage auf, inwiefern es Sprechern einer Verb-Zweit-Sprache überhaupt möglich sein kann,<br />
solche Sätze wie in (7) zu bilden. Hierzu liefern theoretische Überlegungen und empirische<br />
Ergebnisse der Spracherwerbsforschung eindeutige Antworten. Die Untersuchungen zum<br />
Erstspracherwerb zeigen nämlich, dass ein Umfixieren von einmal gesetzten Parametern<br />
sowohl aus theoretischen wie auch empirischen Gründen ausgeschlossen werden muss<br />
(Meisel 1995:31ff.). Dies ergibt sich zum einen aus der theoretischen Überlegung heraus,<br />
dass die Möglichkeit eines Umfixierens dem Kind ein prinzipiell unendliches Umfixieren<br />
erlauben würde, da es keine Möglichkeit hätte zu entscheiden, an welchem Punkt es den<br />
Parameter endgültig festlegen muss (Valian 1990). Zum anderen zeigen empirische Untersuchungen<br />
des Erstspracherwerbs deutlich, dass Kinder einmal gesetzte Parameter nicht<br />
wieder umfixieren (Clahsen 1990/91, Penner 1992). Dies hat die Konsequenz, dass ein<br />
Kind, das einen Parameter auf einen nicht zielsprachlichen Wert gesetzt hat, die Festlegung<br />
nicht wieder rückgängig machen kann und die Eigenschaften, die mit der zielsprachlichen<br />
Fixierung verbunden sind, im Einzelnen erlernen muss (Müller 1994).<br />
Auch in der Zweitspracherwerbsforschung konnte in vielen Untersuchungen gezeigt<br />
werden, dass das Fixieren von Parametern ein (einmaliger) Prozess ist, der auf den Erstspracherwerb<br />
beschränkt bleibt und damit im Zweitspracherwerb keine Rolle spielt (Clahsen<br />
/ Muysken 1989). Diese Feststellung ergibt sich aus dem Vergleich von Erst- und<br />
Zweitspracherwerb, der nicht nur deutliche Unterschiede hinsichtlich des Erfolgs, sondern<br />
4 Es sei darauf hingewiesen, dass der von Vance (1989:162f.) übernommene Beispielsatz (7)(b) unvollständig<br />
ist. Eine Überprüfung zeigt nämlich, dass ein satzinitialer Nebensatz nicht mit aufgeführt<br />
wird. Somit handelt es sich hierbei nicht um einen Beleg für einen Verb-Dritt-Satz, sondern<br />
sogar für den eines Satzes mit einer Verb-Viert-Stellung:<br />
(i) mfr. Et endemantiers que ilz danssoient, le petit Saintré les yeulz de<br />
und währenddessen dass sie tanzten den kleinen Saintré die Augen von<br />
Madame ne cessoient de regarder, tant dansoit et chantoit bien.<br />
Madame nicht aufhörten zu betrachten so sehr (er)-tanzte und sang gut