Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
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der Annahme, dass Sprachwandel eine Folge von Reanalysevorgängen während des kindlichen<br />
Spracherwerbs ist, ergibt sich daher für eine generative Analyse des Verb-Stellungswandels<br />
in den romanischen Sprachen, dass dieser Wandel, wenn er als ein Wechsel der<br />
Verb-Zweit-Stellungseigenschaft angesehen wird, als eine besondere Art des Sprachwandels,<br />
nämlich als Parameterwechsel, beschrieben werden muss. Für eine generative Untersuchung,<br />
die den Verbstellungswandel in den romanischen Sprachen als einen Verlust der<br />
Verb-Zweit-Stellung analysiert, geht es also vor allem darum, die Besonderheiten dieses<br />
Sprachwandels und dessen Unterschiede zu nicht parametrischem Sprachwandel aufzuzeigen.<br />
In theoretischer Hinsicht besteht daher die Aufgabe einer solchen Untersuchung darin,<br />
dass grundsätzliche Überlegungen über die Möglichkeit eines Parameterwechsels angestellt<br />
werden. Es muss gezeigt werden, welche Voraussetzungen prinzipiell gegeben sein müssen,<br />
damit ein Parameterwechsel eintreten kann, und wie es zu einem solchen Wechsel kommen<br />
kann, falls diese Voraussetzungen erfüllt sind. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen können<br />
in die Weiterentwicklung der Theorie der Parameter und des Parameterwechsels einfließen.<br />
Die empirische Aufgabe besteht darin nachzuweisen, dass die romanischen Sprachen<br />
in einem früheren Stadium durch eine strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft gekennzeichnet<br />
waren. Dabei muss geprüft werden, welchem Typ von Verb-Zweit-Sprachen<br />
die jeweilige altromanische Sprache angehört hat, d.h. ob es sich um eine asymmetrische<br />
oder symmetrische Verb-Zweit-Sprache gehandelt hat. Des Weiteren muss empirische Evidenz<br />
für den Wandel der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft vorgelegt werden. Dabei gilt es<br />
vor allem, an Hand empirischen Datenmaterials die für einen Parameterwechsel aus den<br />
theoretischen Vorgaben der Parametertheorie abgeleiteten Vorhersagen zu belegen. Diesen<br />
Vorhersagen zufolge muss der Wandel der Verb-Zweit-Stellung abrupt und möglicherweise<br />
in Verbindung mit der Veränderung anderer Eigenschaften eingetreten sein. Außerdem<br />
müssen empirisch belegbare Angaben über den Zeitpunkt des Wandels gemacht werden.<br />
Im Folgenden soll zunächst untersucht werden, welche konkreten Implikationen sich für<br />
Untersuchungen ergeben, die den Wandel der Verbstellung im Französischen und in anderen<br />
romanischen Sprachen als den parametrischen Wandel der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />
analysieren. Anschließend soll kritisch geprüft werden, inwiefern diese Untersuchungen<br />
diesen Implikationen gerecht werden und ob geeignete empirische Evidenzen<br />
vorgelegt werden, die die Annahme eines solchen parametrischen Wechsels rechtfertigen.<br />
4.1 Verb-Zweit-Stellung als parametrisierte Eigenschaft<br />
4.1.1 Implikationen für den Spracherwerb<br />
Wie bereits in Kapitel 1 dargestellt, basiert die generative Prinzipien- und Parametertheorie<br />
auf der Beobachtung, dass Kinder innerhalb relativ kurzer Zeit ein umfangreiches Wissen<br />
über ein sehr komplexes sprachliches System erwerben, dessen Regeln ihnen weder direkt<br />
zugänglich sind noch auf Grundlage der ihnen zur Verfügung stehenden sprachlichen Erfahrungen<br />
vollständig abgeleitet werden können. Primäres Ziel dieser Grammatiktheorie ist