Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
127<br />
Parameterwechsel – in ähnlicher Weise, wie für das Englische vermutet wird – Sprachkontakt<br />
oder dialektaler Kontakt verantwortlich gemacht werden können. Es muss überprüft<br />
werden, ob es in den Zeiträumen, in denen in diesen Sprachen der Wandel der Verbstellung<br />
eingetreten ist, zu Kontakten dieser Sprachen mit anderen Sprachen gekommen ist, die hinsichtlich<br />
des Verb-Zweit-Parameters anders fixiert gewesen sind. Für die iberoromanischen<br />
Sprachen, insbesondere das Spanische, liegt die Vermutung nahe, dass dieser Wandel durch<br />
den Kontakt mit dem Arabischen ausgelöst worden ist. Die vielen romanistischen Untersuchungen<br />
zu diesem Kontakt stimmen jedoch darin überein, dass Einflüsse des Arabischen<br />
auf das Spanische vorwiegend im Bereich des Lexikons, nicht aber im Bereich der Syntax<br />
nachgewiesen werden können (Meyer-Hermann 1988). Ähnliches gilt auch für die Entwicklung<br />
anderer romanischer Sprachen und den Einfluss auf deren Syntax durch andere<br />
Kontaktsprachen.<br />
Auch was die Frage nach dem Einfluss dialektalen Kontaktes auf die Wortstellungsentwicklung<br />
betrifft, so liefern die romanistischen Untersuchungen keinerlei Belege dafür,<br />
dass innerhalb der einzelnen frühromanischen Sprachen Dialekte existiert haben, deren<br />
Syntax dermaßen unterschiedlich ausgeprägt war, dass von Unterschieden hinsichtlich der<br />
Fixierung des Verb-Zweit-Parameters ausgegangen werden muss. Die im Langue d'Oïl<br />
gesprochenen alt- und mittelfranzösischen Dialekte unterscheiden sich allenfalls im morphophonologischen<br />
Bereich. Syntaktische Unterschiede werden vor allem nur im Bereich<br />
des Gebrauchs und der Funktion der Personalpronomina beobachtet (Gossen 1976). Auch<br />
ein von mir durchgeführter empirischer Vergleich zweier franzischer Texte (ros und tho)<br />
mit zwei anglo-normannischen Texten (rol und mar) kommt zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich<br />
der Stellung des finiten Verbs keine Unterschiede existieren (Kaiser 2000). Die<br />
Texte beider Dialekte enthalten in ähnlichem Umfang zahlreiche Verb-Zweit-Stellungseffekte.<br />
Auf Grund der Tatsache, dass das Franzische die Grundlage für die Herausbildung<br />
des späteren Standardfranzösischen bildet, wäre allerdings zu erwarten gewesen, dass die<br />
franzischen Texte sich hier deutlich von den Texten der anderen Dialekte unterscheiden<br />
und wesentlich weniger häufig Verb-Zweit-Stellungseffekte aufweisen. Denn es muss davon<br />
ausgegangen werden, dass derjenige Dialekt, der sich gegen die übrigen durchgesetzt<br />
hat, hinsichtlich des Verb-Zweit-Parameterwertes anders fixiert war und bei einem möglichen<br />
Kontakt mit anderen Dialekten Input für eine Parameterumfixierung dieser Dialekte<br />
geliefert hat. Alle bisherigen Untersuchungen und Hinweise in der Literatur deuten jedoch<br />
darauf hin, dass dies nicht der Fall gewesen ist. Die gleiche Feststellung scheint auch für<br />
Dialekte anderer frühromanischer Sprachen zuzutreffen. Mit anderen Worten, es gibt bislang<br />
offenbar keine empirische Evidenz dafür, dass die von Weerman (1993) und von<br />
Kroch / Taylor (1997) gelieferte Erklärung für den parametrischen Verbstellungswandel im<br />
Englischen zur Erklärung für den Verb-Stellungswandel in den romanischen Sprachen<br />
herangezogen werden kann.<br />
Somit muss zusammenfassend festgestellt werden, dass es bislang nicht gelungen ist, in<br />
Übereinstimmung mit den Grundannahmen der Parametertheorie die These zu belegen, wonach<br />
sich das Französische sowie andere romanische Sprachen durch Parameterwechsel<br />
von einer Verb-Zweit- zu einer Nicht-Verb-Zweit-Sprache entwickelt haben. Das Hauptproblem<br />
für den Nachweis dieser Annahme besteht darin, dass keine Erklärung dafür geliefert<br />
werden konnte, wie dieser Parameterwechsel ausgelöst worden sein soll. Die vielfach<br />
angenommenen quantitativen und/oder strukturellen Veränderungen in der Erwachsenensprache<br />
müssen aus theoretischen Gründen als inadäquate Erklärungen zurückgewiesen