Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
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3. Verbstellungswandel in den romanischen Sprachen.<br />
Ein Forschungsüberblick<br />
3.1 Einleitung<br />
Eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für eine adäquate Beschäftigung mit einem<br />
wissenschaftlichen Gegenstand ist zweifelsohne eine fundierte Kenntnis der bisherigen<br />
diesbezüglichen Forschung. Erst auf dieser Grundlage ist es überhaupt möglich, in dem<br />
jeweiligen Forschungsgebiet neue Vorschläge und Denkanstöße zur Lösung bislang ungelöster<br />
Probleme zu unterbreiten. Vor einer Diskussion der in den vorangegangenen Kapiteln<br />
aufgeworfenen Fragen und einer Analyse der hier auszuwertenden empirischen Daten ist es<br />
daher unerlässlich, sich zunächst einen Überblick über die bisherige Forschungstätigkeit<br />
und den aktuellen Stand der Forschung über Wortstellungsphänomene der romanischen<br />
Sprachen, insbesondere über die Stellung des finiten Verbs und deren diachronischer Entwicklung,<br />
zu verschaffen.<br />
Die große Schwierigkeit besteht darin, dass es sich hierbei um ein sehr umfangreiches<br />
und für einen Einzelnen kaum zu bewältigendes Unterfangen handelt. Bereits 1957 konstatiert<br />
Ernst Gamillscheg zum Abschluss der Einleitung zu seiner umfangreichen Historischen<br />
Französischen Syntax, dass es – trotz einer "fünfzigjährigen liebevollen Beschäftigung<br />
mit der französischen Philologie" – "heute kaum mehr möglich [ist], daß ein einzelner<br />
alles das kennenlernt und verwertet, was im Laufe des letzten halben Jahrhunderts auf dem<br />
Gebiet der französischen Syntax geschrieben wurde" (Gamillscheg 1957:VIII). Diese Feststellung<br />
gilt fast fünfzig Jahre später freilich um so mehr. Bekanntlich erscheinen im gleichen<br />
Jahr der Veröffentlichung von Gamillschegs Syntax-Monographie Noam Chomskys<br />
Syntactic Structures (Chomsky 1957), die den Grundstein für die generative Syntaxtheorie<br />
legen und zu einem enormen Aufschwung in der Syntaxforschung führen. Ein weiterer<br />
neuer Impuls hierfür geht wenige Jahre später von Joseph H. Greenbergs Aufsatz über<br />
grammatische Universalien (Greenberg 1963) aus, der richtungsweisend für die sprachtypologische<br />
Forschung wird. Innerhalb beider Syntaxmodelle gilt schon früh den romanischen<br />
Sprachen ein besonderes Forschungsinteresse (Kayne 1975, Harris (ed.) 1976, 1978).<br />
Außerdem entwickelt sich auch bald ein verstärktes Interesse für historische Fragestellungen,<br />
das sich zunächst vor allem in den Arbeiten von Lightfoot (1979) sowie von Lehmann<br />
(1973) und Vennemann (1974) niederschlägt. Einen weiteren Anstoß erfährt die Sprachwandelforschung<br />
der romanischen Sprachen, wenn auch weniger im Bereich der Syntax, im<br />
Rahmen des Sprachwandelmodells von Eugenio Coseriu, dessen grundlegende Überlegungen<br />
ebenfalls im Jahr 1957 erstmals veröffentlicht werden (Coseriu 1958).<br />
Das Jahr 1957 markiert damit nicht nur einen Wendepunkt in der Forschung auf dem<br />
Gebiet der allgemeinen und theoretischen Syntax, sondern es leitet auch einen Neubeginn<br />
in der Untersuchung der modernen und historischen Syntax des Französischen und anderer<br />
romanischer Sprachen ein. Seither sind in diesem Bereich nicht nur innerhalb der eben genannten<br />
linguistischen Modelle, sondern auch im Rahmen anderer Ansätze und Fragestel-