Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
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6. Schlussbetrachtung<br />
In der hier vorgelegten Untersuchung wurde von der Annahme ausgegangen, dass die für<br />
die germanischen Sprachen mit Ausnahme des Englischen charakteristische strenge Verb-<br />
Zweit-Stellung in deklarativen Matrixsätzen eine parametrisch festgelegte Eigenschaft ist.<br />
Im Rahmen der generativen Prinzipien- und Parametertheorie wird diese Eigenschaft dadurch<br />
beschrieben, dass die Flexions- und Finitheitsmerkmale in der COMP-Position basisgeneriert<br />
werden. Demzufolge unterscheiden sich Sprachen, die diese Eigenschaft besitzen,<br />
von Nicht-Verb-Zweit-Sprachen dadurch, dass das finite Verb im deklarativen Matrixsatz<br />
stets in die COMP-Position bewegt werden muss. Für den kindlichen Erstspracherwerb bedeutet<br />
diese Annahme, dass Kinder auf der Grundlage der sprachlichen Erfahrung während<br />
des Spracherwerbs lediglich den entsprechenden Wert des Verb-Zweit-Parameters festlegen<br />
müssen, ohne die damit verbundenen Eigenschaften im Einzelnen erlernen zu müssen.<br />
Diese Annahme erlaubt es, den schnellen und weitgehend fehlerfreien Erwerb der Verb-<br />
Zweit-Stellungseigenschaft im Verlauf des kindlichen Erstspracherwerbs und die deutlichen<br />
Unterschiede zum Erwerb dieser Eigenschaft im Zweitspracherwerb zu erklären.<br />
Im Mittelpunkt der hier durchgeführten empirischen Untersuchung der Verbstellung und<br />
des Verbstellungswandels in den romanischen Sprachen stand die Frage, ob die in diesen<br />
Sprachen zu beobachtenden Verb-Zweit-Stellungseffekte in ähnlicher Weise wie die Verb-<br />
Zweit-Stellung der germanischen Verb-Zweit-Sprachen analysiert werden können. Die Antwort<br />
hierfür fällt eindeutig negativ aus: Mit Ausnahme des Bündnerromanischen und einiger<br />
regionaler Varietäten des Dolomitenladinischen ist diese Analyse weder für die frühromanischen<br />
noch für die modernen romanischen Sprachen gerechtfertigt.<br />
In den modernen romanischen Sprachen ist die Zweit-Stellung des finiten Verbs vor allem<br />
in Interrogativsätzen zu beobachten. Ausgehend von der Annahme, dass Verb-Zweit-<br />
Stellungseffekte in Interrogativsätzen darauf zurückzuführen sind, dass das finite Verb auf<br />
Grund universaler Prinzipien stets nach COMP angehoben wird, konnte gezeigt werden,<br />
dass es sich hierbei nicht um ein 'Relikt' einer vermuteten strengen Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />
der frühromanischen Sprachen handeln kann. Zwar existiert mit der gleichen<br />
Landeposition des finiten Verbs eine Gemeinsamkeit zwischen Matrixsätzen in Verb-<br />
Zweit-Sprachen und den Verb-Zweit-Interrogativsätzen in (romanischen) Nicht-Verb-<br />
Zweit-Sprachen, der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, dass der Auslöser der<br />
Verb-nach-COMP-Bewegung unterschiedlicher Natur ist. Demzufolge besteht kein Grund<br />
dafür anzunehmen, dass ein diachronischer Zusammenhang zwischen Verb-Zweit-Effekten<br />
in den Interrogativsätzen moderner romanischer Sprachen und den in den Matrixsätzen der<br />
frühromanischen Sprachen zu beobachtenden Verb-Zweit-Effekten besteht.<br />
Gefragt werden muss darüber hinaus, inwiefern es überhaupt empirisch gerechtfertigt<br />
ist, eine overte Verb-nach-COMP-Bewegung für die Interrogativsätze in den modernen romanischen<br />
Sprachen anzunehmen. Für viele Varietäten dieser Sprachen konnte gezeigt werden,<br />
dass in zahlreichen Interrogativsätzen die Subjekt-Verb-Inversion fakultativ ist oder<br />
mehrere Konstituenten vor dem finiten Verb auftreten können. Ähnliche Beobachtungen<br />
konnten auch bezüglich der in den Deklarativsätzen vieler moderner romanischer Sprachen<br />
zu beobachtenden Subjekt-Verb-Inversion gemacht werden. In den meisten Kontexten ist<br />
diese Inversion weder obligatorisch noch dadurch beschränkt, dass dem finiten Verb nur