Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
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Eine eingehende Auseinandersetzung erfährt Thurneysens Untersuchung erst in den 50er<br />
Jahren durch Herman (1954). Hermans Studie ist nach der von Thurneysen (1892) zweifellos<br />
die wichtigste und beste traditionelle Arbeit zur Stellung des finiten Verbs im Altfranzösischen<br />
(cf. Vanelli / Renzi / Benincà 1985:168). In einer detaillierten Analyse der<br />
frühesten Prosatexte des Französischen – u.a. auch der im Rahmen der vorliegenden Arbeit<br />
untersuchten Quatre livre des Reis (= qlr) – beobachtet Herman (1954:259) in ähnlicher<br />
Weise wie Thurneysen seit dem frühesten Altfranzösischen "une tendance à faire du verbe<br />
le deuxième membre de la proposition". Herman (1954:269) sieht im finiten Verb des Altfranzösischen<br />
eine Art Bindeglied zwischen einer beliebigen satzinitialen, betonten Konstituente<br />
und dem übrigen Teil des Satzes:<br />
Quoiqu'il en soit, le verbe se plaçait d'habitude, dès les débuts de l'ancien français, en seconde<br />
place dans la proposition, dans ce sens qu'il suivait le premier terme syntaxique, la première unité<br />
«fonctionnelle» (sujet, complément, attribut), même si cette unité était composée de plusieurs mots<br />
ou de plusieurs groupes rythmiques. Quelles que fussent les origines de cette tendance, il en est<br />
résulté qu'au verbe échut le rôle d'indiquer la relation entre un terme initial et un ou plusieurs<br />
autres termes, ce terme initial étant un terme placé sous un accent de phrase.<br />
Ce qu'on appelle l'inversion du sujet n'était qu'une conséquence secondaire de cet état de<br />
choses: dès que le premier terme était autre chose que le sujet, force était de placer le sujet après le<br />
verbe, puisque ce dernier devait se joindre au terme initial.<br />
Herman räumt allerdings ein, dass diese Regel der Verb-Zweit-Stellung nicht ausnahmslos<br />
eingehalten wird. Bei seiner Auswertung der von ihm untersuchten Abschnitte der Quatre<br />
Livre des Reis konstatiert Herman (1954:269) zwei Gruppen von Abweichungen. Die eine<br />
Gruppe bilden Sätze, in denen das finite Verb – meist unmittelbar hinter der Konjunktion é<br />
– in der Erstposition steht. Den Beobachtungen von Herman (1954:277) zufolge kommt es<br />
zu dieser Stellung, wenn das Verb entweder hervorgehoben wird – wie etwa in Imperativsätzen<br />
– oder einen "terme de rappel" bildet, was nach Herman vor allem für respundre<br />
zutrifft, oder – wie im Fall der "proposition complémentaire" – unmittelbar an den vorangehenden<br />
Satz anknüpft. Die zweite Gruppe der Ausnahmen bilden Verb-Dritt-Sätze, d.h.<br />
Sätze, in denen dem finiten Verb "deux termes accentués" (Herman 1954:269) vorausgehen.<br />
Herman (1956:271) führt "une bonne partie de ces cas" darauf zurück, dass sie in gereimten<br />
Textstellen auftreten. In diesen Fällen steht das finite Verb meist am Ende eines<br />
Satzes oder Satzteils und bildet einen Reim mit einer oder mehreren anderen Verbformen.<br />
Diejenigen Verb-Dritt-Sätze, die nicht in Reimversen auftreten, versucht Herman<br />
(1954:269f.) als Ausnahmen zur oben genannten Regel zu erfassen. Unter Berufung auf<br />
Haarhoff (1936) nimmt er an, dass in einem Teil dieser Sätze die satzinitialen Konstituenten<br />
"schwere Einleitungen" bilden, die durch eine Pause vom übrigen Satz getrennt sind:<br />
spricht, betont er gleichzeitg unter Berufung auf Thurneysen (1892), dass das Altfranzösische in<br />
der Prosa diese "liberté presque illimitée que lui offre sa déclinaison" nicht "missbraucht", sondern<br />
vielmehr einer strengen Gesetzmäßigkeit folgt (Wartburg 1946:103):<br />
"La prose, c'est-à-dire la langue de tous les jours, obéit à cette loi: on réserve au verbe la deuxième<br />
place dans la phrase. Ex. je ne quit mie (svr), les deniers prendrons nos (rvs), biaus estoit et gens<br />
(préd. v. préd), or dient (circonstanciel verbe) [...]. Il en résulte une position exceptionnelle du<br />
verbe. Les autres éléments sont comme ses vassaux. La notion verbale domine la phrase, elle en<br />
est le point fixe, le pivot, et les autres éléments tournent autour d'elle."