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Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft

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Außerdem lässt sich mit dem Begriff 'Inversion' nicht die Ungrammatikalität der Sätze wie<br />

(5)-(6) erfassen, in denen Subjekt und Verb zwar in invertierter Stellung erscheinen, dem<br />

Verb aber mehrere Konstituenten voranstehen:<br />

(5) dt. (a) *Das Buch mit Vergnügen hat die Frau gelesen.<br />

(b) *Wenn sie Zeit gehabt hätte, das Buch hätte die Frau gelesen.<br />

(6) nl. (a) *Het boek met plezier heeft de vrouw gelezen.<br />

(b) *Als ze tijd gehad had, het boek had de vrouw gelezen.<br />

Auch die Bezeichnung 'germanisch' zur Charakterisierung der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

ist nicht ganz zutreffend, da diese Eigenschaft auch in einigen nicht germanischen<br />

Sprachen anzutreffen ist. Insbesondere ist hier das Rätoromanische zu nennen. Die folgende<br />

Übersetzung der deutschen bzw. niederländischen Sätze in (1) und (2) in das Surselvische,<br />

eine der fünf regionalen Varietäten des Bündnerromanischen, belegt das Vorhandensein<br />

einer strengen Verb-Zweit-Stellung in dieser Sprache:<br />

(7) sur. (a) La dunna ha legiu il cudisch cun plascher.<br />

(b) Il cudisch ha la dunna legiu cun plascher.<br />

(c) Cun plascher ha la dunna legiu il cudisch.<br />

(d) Legiu ha la dunna il cudisch cun plascher.<br />

(e) Sche ella havess giu temps, havess la dunna legiu il cudisch.<br />

Die strenge Verb-Zweit-Eigenschaft zeigt sich auch darin, dass im Surselvischen ebenso<br />

wie im Deutschen und Niederländischen Sätze, die mehr als eine präverbale Konstituente<br />

enthalten, grundsätzlich ungrammatisch sind:<br />

(8) sur. (a) *La dunna il cudisch ha legiu cun plascher.<br />

die Frau das Buch hat gelesen mit Vergnügen<br />

(b) *Cun plascher la dunna ha legiu il cudisch.<br />

mit Vergnügen die Frau hat gelesen das Buch<br />

(c) *Sche ella havess giu temps, la dunna havess legiu il cudisch.<br />

wenn sie hätte gehabt Zeit die Frau hätte gelesen das Buch<br />

(d) *Il cudisch cun plascher ha la dunna legiu.<br />

das Buch mit Vergnügen hat die Frau gelesen<br />

(e) *Sche ella havess giu temps, il cudisch havess la dunna legiu.<br />

wenn sie hätte gehabt Zeit das Buch hätte die Frau gelesen<br />

Das Rätoromanische unterscheidet sich damit in syntaktischer Hinsicht deutlich von allen<br />

übrigen romanischen Sprachen. Allerdings gibt es innerhalb der sehr heterogenen Gruppe<br />

der dem Rätoromanischen zugerechneten Dialekte große Unterschiede hinsichtlich der<br />

Verb-Zweit-Stellungseigenschaft. Lediglich die bündnerromanischen Mundarten sind ausnahmslos<br />

durch eine strenge Verb-Zweit-Stellungsregel gekennzeichnet. Im Dolomitenladinischen<br />

gilt sie nur in einigen Dialekten und im Friaulischen überhaupt nicht (Salvi<br />

1997:297f., Poletto 2000:Kap.4, Kaiser / Carigiet / Evans 2001:201f.). 1<br />

1 Typologisch gesehen ist die strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft äußerst selten. Neben den<br />

germanischen Verb-Zweit-Sprachen und dem Bündnerromanischen werden bisweilen unter anderem<br />

auch Bretonisch und Kashmiri zur Gruppe der Verb-Zweit-Sprachen gerechnet (Schafer 1995,<br />

Bhatt 1999). Inwiefern dies gerechtfertigt ist, muss hier offen bleiben. Zumindest für das Bretonische<br />

gibt es starke Einwände gegen eine solche Charakterisierung (Borsley / Kathol 2000). Für die

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