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Jugendgewalt und Jugenddelinquenz in Hannover. Aktuelle Befund

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der <strong>in</strong> konventionelle Aktivitäten e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en. Die Befolgung von Normen ist entscheidender<br />

Inhalt der Sozialisation von K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Jugendlichen <strong>in</strong> diesen Stadtteilen. In benachteiligten<br />

Gegenden h<strong>in</strong>gegen wird der E<strong>in</strong>zelne auf Gr<strong>und</strong> der Heterogenität der Bewohnerschaft<br />

neben den konventionellen Werten auch mit anderen, abweichenden Werten konfrontiert.<br />

„Instead of be<strong>in</strong>g raised to th<strong>in</strong>k that success was achieved through hard work, honesty and<br />

delayed gratification, children <strong>in</strong> the <strong>in</strong>ner zones may have grown up to believe that ly<strong>in</strong>g,<br />

steal<strong>in</strong>g, and seek<strong>in</strong>g pathways to easy money was the only way of gett<strong>in</strong>g ahead“ (Lersch<br />

2004, S. 45). Es existieren damit auch negative Verhaltensvorbilder <strong>in</strong> Form del<strong>in</strong>quenter<br />

Gleichaltriger <strong>und</strong> Erwachsener, die alternative, z.T. illegitime Wege für das Erreichen bestimmter<br />

Ziele präsentieren.<br />

Benachteiligte Stadtteile, die diese Eigenschaften aufweisen, werden auch als sozial desorganisiert<br />

bezeichnet. Soziale Desorganisation me<strong>in</strong>t dabei „the <strong>in</strong>ability of a community structure<br />

to realize the common values of its residents and ma<strong>in</strong>ta<strong>in</strong> effective social controls“<br />

(Sampson/Groves 1989, S. 777). Häufige Zu- <strong>und</strong> Wegzüge <strong>und</strong> die hohe ethnische Heterogenität<br />

dieser Gebiete beh<strong>in</strong>dern die Entwicklung sozialer B<strong>in</strong>dungen <strong>und</strong> sozialer Kontrollen.<br />

Die E<strong>in</strong>wohner haben ke<strong>in</strong> großes Interesse ane<strong>in</strong>ander, greifen auch nicht e<strong>in</strong>, wenn K<strong>in</strong>der<br />

<strong>und</strong> Jugendliche del<strong>in</strong>quente Taten begehen. Die fehlende Kontrolle <strong>und</strong> Interventionsbereitschaft<br />

wiederum begünstigt die Herausbildung nonkonformer Normen <strong>und</strong> Werthaltungen,<br />

die <strong>in</strong> Subkulturen verfestigt werden <strong>und</strong> die <strong>in</strong> diesen Subkulturen an neue Bewohner des<br />

Stadtgebietes weitergegeben werden. 82 Die von Shaw <strong>und</strong> McKay (1942, 1969) formulierte<br />

Theorie der sozialen Desorganisation, die <strong>in</strong> Abbildung 55 graphisch zusammengefasst ist<br />

kann als e<strong>in</strong>e der bekanntesten Theorien zur Erklärung der sozialräumlich unterschiedlichen<br />

Verteilung von Krim<strong>in</strong>alität bezeichnet werden kann.<br />

Abbildung 55: Die Theorie der sozialen Desorganisation nach Shaw <strong>und</strong> McKay<br />

Verschiedene Kritikpunkte lassen sich gegenüber der Desorganisationstheorie von Shaw <strong>und</strong><br />

McKay anführen (vgl. Lersch 2004, S. 47ff.). Zum e<strong>in</strong>en unterliegt die ausschließliche Betrachtung<br />

von Beziehungen auf Aggregatebene – hier zwischen verschiedenen Merkmalen des<br />

Stadtteils <strong>und</strong> der Krim<strong>in</strong>alitätsrate – dem Problem des ökologischen Fehlschlusses (vgl.<br />

Diekmann 2007). Die Tatsache, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stadtteil viele arme Menschen leben <strong>und</strong><br />

gleichzeitig e<strong>in</strong>e hohe Krim<strong>in</strong>alitätsrate zu f<strong>in</strong>den ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es die<br />

Armen s<strong>in</strong>d, die sich krim<strong>in</strong>ell verhalten, auch wenn diese Beziehung auf den ersten Blick<br />

sehr plausibel ersche<strong>in</strong>t. Zum anderen beziehen sich die Analysen von Shaw <strong>und</strong> McKay nur<br />

auf Hellfelddaten, also auf offiziell registrierte Krim<strong>in</strong>alität. Gerade sozial benachteiligte Personen<br />

s<strong>in</strong>d jedoch im Hellfeld sehr stark überrepräsentiert, was nicht alle<strong>in</strong> auf ihre höhere<br />

Belastung, sondern auch auf ihre größere Krim<strong>in</strong>alisierungswahrsche<strong>in</strong>lichkeit durch strafrechtliche<br />

Instanzen zurückzuführen ist (vgl. Geißler 1994).<br />

82 In diesem Zusammenhang wird von der kulturellen Transmission abweichender E<strong>in</strong>stellungen <strong>und</strong><br />

Verhaltensweisen gesprochen (vgl. Kornhauser 1978).<br />

144<br />

Armut/soziale Benachteiligung<br />

ethnische Heterogenität<br />

residentielle Instabilität<br />

Soziale<br />

Desorganisation<br />

sozialräumlich ungleich verteilteKrim<strong>in</strong>alität/Del<strong>in</strong>quenz

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