04.01.2013 Aufrufe

Jugendgewalt und Jugenddelinquenz in Hannover. Aktuelle Befund

Jugendgewalt und Jugenddelinquenz in Hannover. Aktuelle Befund

Jugendgewalt und Jugenddelinquenz in Hannover. Aktuelle Befund

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

sen kann. Dies lässt sich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie kontrolltheoretisch begründen: Lehrer s<strong>in</strong>d Kontrollorgane<br />

<strong>und</strong> je nachdem, wie ernst sie diese Kontrollaufgaben nehmen, verh<strong>in</strong>dern oder ermöglichen<br />

sie Abweichung. So ist <strong>in</strong> Schulen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e Kultur des H<strong>in</strong>schauens existiert,<br />

das Gewaltniveau niedriger (Wilmers et al. 2002, S. 149ff.). Auch e<strong>in</strong>e pazifistische bzw. demokratische<br />

Schulkultur wirkt sich gewaltm<strong>in</strong>dernd aus (Nunner-W<strong>in</strong>kler et al. 2005), ebenso<br />

wie e<strong>in</strong> positives Schulklima (Gottfredson et al. 2005). In dieser H<strong>in</strong>sicht mag es entscheidend<br />

se<strong>in</strong>, welche außerschulischen Angebote die Schule ihren Schülern macht. E<strong>in</strong> breites<br />

Angebot kann das <strong>in</strong>dividuelle Commitment, d.h. die B<strong>in</strong>dung an die Schule erhöhen. Schüler<br />

mit e<strong>in</strong>er starken B<strong>in</strong>dung an die Schule werden wiederum seltener auffällig (Jenk<strong>in</strong>s 1997).<br />

Es wird deshalb angenommen, dass schulische Faktoren dazu beitragen, das Ausmaß del<strong>in</strong>quenten<br />

Verhaltens zu bee<strong>in</strong>flussen. Schüler, die gern zur Schule gehen <strong>und</strong> die die dort geltenden<br />

normativen Vorgaben respektieren (hohe Schulb<strong>in</strong>dung), sollten sich auch außerhalb<br />

der Schule gesetzeskonform verhalten. Und wenn Lehrer unmissverständlich klar stellen, dass<br />

bestimmte, abweichende Verhaltensweisen <strong>in</strong> der Schule nicht geduldet werden (Interventionsbereitschaft),<br />

dann sollte dies ebenfalls e<strong>in</strong>e über den Schulkontext h<strong>in</strong>ausreichende Lernerfahrung<br />

darstellen.<br />

Zu beachten ist ferner e<strong>in</strong> weiterer Faktor: Schule vermittelt Anerkennung für gute Schulleistungen,<br />

während schlechte Leistungen Gefühle des Scheiterns <strong>und</strong> der Deprivation nach sich<br />

ziehen. Dadurch werden Frustrationserlebnisse ausgelöst, die sich gegen die schulischen Verhaltensvorgaben<br />

richten. Es ist deshalb zu erwarten, dass Schüler mit schlechten Noten häufiger<br />

del<strong>in</strong>quente Taten ausführen als Schüler mit guten Noten. Entsprechend dieser Überlegungen<br />

zum E<strong>in</strong>fluss der Schule wurden <strong>in</strong> die Schülerbefragung 2006 auch e<strong>in</strong>ige wenige<br />

Indikatoren zur Schule<strong>in</strong>stellung, zum Leistungsvermögen <strong>und</strong> zur bisherigen Schulkarriere<br />

aufgenommen.<br />

Bevor auf die Bef<strong>und</strong>e zu diesen schulbezogenen Faktoren e<strong>in</strong>gegangen werden soll, ist zunächst<br />

an das bereits aus Kapitel 3 dieses Berichtes bekannte Ergebnis zu er<strong>in</strong>nern, dass die<br />

besuchte Schulform selbst mit aggressiven Verhaltensweisen <strong>in</strong> Beziehung steht. Verdeutlicht<br />

wurde dies aus Täterperspektive bislang allerd<strong>in</strong>gs nur für den Bereich der Schulgewalt, mit<br />

dem Bef<strong>und</strong>, dass <strong>in</strong> höheren Schulformen die eher leichte verbale <strong>und</strong> soziale Gewalt häufiger<br />

an der Tagesordnung ist, niedrigere Schulformen h<strong>in</strong>gegen stärker im Bereich der physischen<br />

Gewalt <strong>und</strong> der Sachbeschädigung belastet s<strong>in</strong>d. Diese Unterschiede f<strong>in</strong>den sich auch <strong>in</strong><br />

Bezug auf die vier hier betrachten außerschulischen Verhaltensweisen (vgl. Abbildung 21).<br />

M<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e Gewalttat (Körperverletzung, Raub, Erpressung, Bedrohung mit Waffe) haben<br />

26,9 % der Förderschüler <strong>und</strong> 28,1 % der Hauptschüler, aber nur 7,6 % der Gymnasiasten<br />

bzw. Waldorfschüler ausgeübt. Die Mehrfachtäterquoten unterscheiden sich sogar um das<br />

zehnfache zwischen Förderschülern <strong>und</strong> Gymnasiasten/Waldorfschülern. Baier <strong>und</strong> Pfeiffer<br />

(2007a) berichten Ergebnisse e<strong>in</strong>er deutschlandweiten Untersuchung, bei der sich ähnlich<br />

starke Unterschiede zwischen den Schulformen zeigten; diese Unterschiede blieben auch nach<br />

Kontrolle der spezifischen Zusammensetzung der Schülerschaft vorhanden, so dass gefolgert<br />

werden konnte, dass <strong>in</strong>sbesondere der Besuch e<strong>in</strong>er Hauptschule unter den heutigen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong> eigenständiger Verstärkungsfaktor del<strong>in</strong>quenter Karrieren darstellt. Wie Abbildung<br />

21 darüber h<strong>in</strong>aus zeigt, sche<strong>in</strong>t ähnliches auch für den Diebstahl zu gelten. Bei Sachbeschädigungen<br />

sowie beim Verkauf von Raubkopien s<strong>in</strong>d die Schulformunterschiede h<strong>in</strong>gegen<br />

eher ger<strong>in</strong>g ausgeprägt. Zwar weisen bei beiden Delikten die Gymnasiasten <strong>und</strong> Waldorfschü-<br />

65

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!