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Jugendgewalt und Jugenddelinquenz in Hannover. Aktuelle Befund

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Wie die Ergebnisse <strong>in</strong> Tabelle 20 verdeutlichen, s<strong>in</strong>d nichtdeutsche Schüler <strong>und</strong> Schüler aus<br />

niedrigeren Schulformen seltener im Besitz wertvollen Kulturkapitals. Nicht nur, dass sie seltener<br />

Bildungstitel erwerben, die mehr oder weniger e<strong>in</strong>e Voraussetzung sozialen Aufstiegs<br />

geworden s<strong>in</strong>d (Abitur); sie kommen auch <strong>in</strong>nerhalb der Familie weit seltener mit wichtigen<br />

Kulturprodukten <strong>in</strong> Kontakt. Insgesamt wurden sechs Produkte bzw. Tätigkeiten erfasst: Museumsbesuch,<br />

Besuch von Oper, Ballett oder Klassikkonzert, Besitz klassischer Literatur,<br />

Besitz von Kunstwerken, Besitz von Musik<strong>in</strong>strumenten, Anzahl an Büchern. Nur e<strong>in</strong>e Auswahl<br />

von drei dieser Indikatoren ist <strong>in</strong> Tabelle 20 dargestellt: Im Verlaufe der zurückliegenden<br />

zwölf Monate waren immerh<strong>in</strong> 60,0 % der deutschen Jugendlichen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Museum<br />

oder e<strong>in</strong>er Kunstgalerie; am seltensten berichten dies türkische Jugendliche. Dasselbe Bild<br />

zeigt sich auch beim Besitz klassischer Literatur bzw. beim Besitz von mehr als 100 Büchern:<br />

Türkische Jugendliche werden durch ihre Familie am seltensten mit Kulturkapital ausgestattet;<br />

andere nichtdeutsche Befragte sche<strong>in</strong>en hierbei privilegierter zu se<strong>in</strong>, wobei dennoch gilt,<br />

dass die deutschen Befragten die besten Voraussetzungen besitzen. Von <strong>in</strong>sgesamt sechs vollzogenen<br />

Aktivitäten bzw. im Haushalt existierenden Gegenständen haben deutsche Befragte<br />

im Durchschnitt 3,4 tatsächlich ausgeführt bzw. im Besitz; bei den türkischen Jugendlichen ist<br />

das durchschnittliche Kulturkapital mit 1,7 nur halb so groß.<br />

Noch deutlicher fallen die Unterschiede im H<strong>in</strong>blick auf das Schulniveau aus, da Förder- <strong>und</strong><br />

Hauptschüler nur über sehr wenig, Gymnasiasten h<strong>in</strong>gegen über sehr viel Kulturkapital verfügen.<br />

Dies lässt den Schluss zu, dass diejenigen Schüler <strong>in</strong> höherem Maße weiterführende Bildung<br />

genießen können, die durch ihr Elternhaus auf diesen Weg vorbereitet wurden. Ins Negative<br />

gewendet illustriert dieser Bef<strong>und</strong>, dass der Zugang zu höherer Bildung nicht e<strong>in</strong>zig<br />

e<strong>in</strong>e Funktion des Leistungsvermögens e<strong>in</strong>es Schülers, sondern auch e<strong>in</strong>e Funktion der Verhältnisse<br />

im Elternhaus ist. K<strong>in</strong>der, die <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule nicht mit wichtigen<br />

Kulturprodukten <strong>in</strong> Kontakt kommen, werden den Übergang auf das Gymnasium kaum erleben.<br />

Da die Beziehung zwischen der besuchten Schulform <strong>und</strong> dem Kulturkapital derart eng<br />

ist, handelt es sich beim Kulturkapital offensichtlich nicht um e<strong>in</strong>en eigenständigen Erklärungsfaktor<br />

für del<strong>in</strong>quentes Verhalten. Er dient vielmehr dazu, Schulformeffekte zu <strong>in</strong>terpretieren.<br />

Empirisch ergeben sich Beziehungen vor allem mit dem Gewaltverhalten <strong>und</strong> dem<br />

Diebstahl, d.h. Jugendliche mit höherem Kulturkapital führen diese Delikte seltener aus.<br />

Raubkopien werden demgegenüber von Schülern mit unterschiedlicher Kapitalausstattung <strong>in</strong><br />

sehr ähnlichem Maße verkauft; soziales Mobb<strong>in</strong>g wird – wie bereits weiter oben vorgestellt –<br />

sogar häufiger von Jugendlichen mit höherem Kulturkapital ausgeführt.<br />

Familien stellen zuletzt, <strong>in</strong>sbesondere im K<strong>in</strong>desalter, e<strong>in</strong>en eigenen Sozialraum dar, <strong>in</strong> dem<br />

f<strong>und</strong>amentale Erfahrungen gesammelt werden können. In positiver H<strong>in</strong>sicht s<strong>in</strong>d dies Erfahrungen<br />

des Vertrauens, der B<strong>in</strong>dung, der Anerkennung. In negativer H<strong>in</strong>sicht handelt es sich<br />

um Erfahrungen des Misstrauens, des Verlusts, der Missachtung. E<strong>in</strong>ige dieser negativen Erlebnisse<br />

werden durch bestimmte Ereignisse ausgelöst, die als Stressoren bezeichnet werden;<br />

d.h. es handelt sich um Situationen, die bei K<strong>in</strong>dern emotionalen Stress auslösen, der wiederum<br />

über verschiedene Handlungen abgebaut bzw. kompensiert werden kann. In der krim<strong>in</strong>ologischen<br />

Literatur wird vermutet, dass Stresserlebnisse auch Auslöser del<strong>in</strong>quenter Taten<br />

se<strong>in</strong> können (Agnew 1992), wobei diese nicht notwendig auf die Familie beschränkt se<strong>in</strong><br />

müssen. Fünf Stressoren wurden <strong>in</strong> der Schülerbefragung erfasst: Die Trennung/Scheidung<br />

der Eltern, der Tod e<strong>in</strong>es Elternteils, der Umzug, die Arbeitslosigkeit e<strong>in</strong>es Elternteils <strong>und</strong> der<br />

Nichtbesitz e<strong>in</strong>es eigenen Zimmers. Die Erkenntnisse zur Bedeutung des letztgenannten Be-<br />

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