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Jugendgewalt und Jugenddelinquenz in Hannover. Aktuelle Befund

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ökonomischen Schlechterstellung herangezogen werden, weil die Wohnungsgröße (Zimmeranzahl)<br />

e<strong>in</strong>kommensabhängig ist. Zudem dürfte e<strong>in</strong> eigenes Zimmer der persönlichen Entwicklung<br />

förderlich se<strong>in</strong>: Es besteht e<strong>in</strong> Rückzugsraum, der es beispielsweise ermöglicht, <strong>in</strong><br />

Ruhe Hausaufgaben zu erledigen; e<strong>in</strong>e Abhängigkeit von den Aktivitätszyklen, <strong>in</strong>sbesondere<br />

den Mediennutzungsgewohnheiten der Geschwister ist nicht gegeben.<br />

Obwohl die deutschen Jugendlichen bei den meisten Status-Indikatoren als privilegiert ersche<strong>in</strong>en,<br />

zeigt sich h<strong>in</strong>sichtlich der Trennungs- bzw. Scheidungserfahrungen e<strong>in</strong>e erhöhte<br />

Prävalenz: Nur 61,9 % der deutschen Neuntklässler leben aktuell mit beiden leiblichen Elternteilen<br />

zusammen, bei den türkischen Jugendlichen s<strong>in</strong>d es h<strong>in</strong>gegen 79,6 %, bei polnischen<br />

Jugendlichen 69,8 %. Die Jugendlichen aus anderen ethnischen Gruppen s<strong>in</strong>d im H<strong>in</strong>blick auf<br />

diesen Indikator den deutschen Jugendlichen sehr ähnlich, da hier auch 38 % angaben, nicht<br />

mit zwei leiblichen Eltern zusammen zu leben. In der Literatur über abweichendes Verhalten<br />

wird das Erleben e<strong>in</strong>er elterlichen Trennung <strong>in</strong> der Regel als Risikofaktor betrachtet, <strong>in</strong> dessen<br />

Folge die Jugendlichen Stress erleben, neue Orientierungen suchen <strong>und</strong> dabei häufiger auch<br />

unangepasstes Verhalten zeigen (vgl. u.a. Albrecht et al. 1991). Diese Überlegungen können<br />

allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ethnienvergleichenden Perspektive nicht überzeugen: Zu beachten ist, dass<br />

die Trennung/Scheidung nicht selten durch <strong>in</strong>nerfamiliäre Gewalt ausgelöst wird. Wenn die<br />

Trennung/Scheidung dann aber aus kulturellen oder religiösen Gründen unterbleibt, bleiben<br />

die betroffenen K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendlichen durch die Probleme belastet (vgl. auch Baier/Pfeiffer<br />

2007). Die Ablösung von e<strong>in</strong>em gewalttätigen Elternteil h<strong>in</strong>gegen kann dem K<strong>in</strong>d bessere<br />

Entwicklungschancen eröffnen.<br />

Neben den bisher erwähnten Unterschieden existieren auch wahrnehmbare Unterschiede im<br />

H<strong>in</strong>blick auf die soziale Integration der Migranten. In Tabelle 5 s<strong>in</strong>d als e<strong>in</strong> möglicher Indikator<br />

hierfür die Vere<strong>in</strong>s-Mitgliedschaftsraten abgebildet. Etwas mehr als zwei Drittel aller<br />

deutschen, aber nur zwei von fünf türkischen oder russischen Jugendlichen gehören e<strong>in</strong>em<br />

Vere<strong>in</strong> an. 9 Vere<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d, wie die aktuelle Forschung herausstellt (vgl. u.a. Fussan 2006),<br />

wichtige zivilgesellschaftliche Akteure, da sie der Vermittlung sozialer Spielregeln dienen.<br />

Vere<strong>in</strong>smitglieder müssen sich an e<strong>in</strong>e Satzung halten, sie lernen, die eigene Person <strong>in</strong> den<br />

Dienst e<strong>in</strong>er Organisation zu stellen, sie kommen <strong>in</strong> Kontakt mit zumeist altersungleichen<br />

anderen Mitgliedern usw. Gerade für Jugendliche sollte deshalb solch e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>smitgliedschaft<br />

zur Folge haben, dass sie sich weniger del<strong>in</strong>quent verhalten. Allerd<strong>in</strong>gs erhalten diese<br />

Vermutungen <strong>in</strong> bisherigen Forschungen nur wenig empirische Unterstützung, <strong>in</strong>sbesondere<br />

dann, wenn <strong>in</strong> Analysen neben der Vere<strong>in</strong>smitgliedschaft auch weitere, Del<strong>in</strong>quenz begünstigende<br />

Faktoren berücksichtigt werden (vgl. z.B. Baier/Pfeiffer 2007). Höchstwahrsche<strong>in</strong>lich<br />

ist nicht alle<strong>in</strong> der Umstand entscheidend, e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> anzugehören oder nicht; wichtiger<br />

dürfte vielmehr se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> welchem Vere<strong>in</strong> man sich engagiert, welche Aufgaben hier konkret<br />

wahrgenommen werden oder wie <strong>in</strong>tensiv – <strong>in</strong> zeitlicher wie sachlicher H<strong>in</strong>sicht – das Engagement<br />

ausfällt.<br />

E<strong>in</strong>e Analyse der Verteilung der ethnischen Gruppen über die verschiedenen Schulformen<br />

<strong>Hannover</strong>s verdeutlicht abschließend ebenfalls e<strong>in</strong>e soziale Schlechterstellung nichtdeutscher<br />

9 Bei den türkischen Jugendlichen s<strong>in</strong>d dabei starke Geschlechterunterschiede festzustellen: Türkische Mädchen<br />

gehören nur zu 30,4 % e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> an, türkische Jungen h<strong>in</strong>gegen fast genauso häufig wie deutsche Jungen<br />

(61,3 %). Zum Vergleich: Die Mitgliedschaftsquote der deutschen Mädchen beträgt 66,7 %, die der deutschen<br />

Jungen 68,3 %.<br />

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