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Nr. 3 (32) anul IX / iulie-septembrie 2011 - ROMDIDAC

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schleichen wie ein Schatten, und dieses Wesen zurücklassen, das in der Finsternis<br />

reist, in einer Zeit, die ihm längst nicht mehr gehört, die Zeit verlassen,<br />

die von anderen eingerichtet wurde, um die Zeit meines eigenen Schicksals<br />

zu suchen, die ebenso fern ist wie die Quelle eines Flusses, die Strömung<br />

hinaufirren, nachdem ich auf dem Weg kehrt machte, mit Besorgnis auf die<br />

beiden Ränder des Lebens schaue, unentschieden an den Wegkreuzungen<br />

eine er sehnte Welt erwarte, die niemals gekommen ist. Auf verschlungen en<br />

Wegen, verwischten Wegen, die Anstrengung, bis ins Unend liche zu gehen,<br />

begleitet von dem Andenken an den Schmerz, von dem man sich nicht mehr<br />

trennen kann, zu dem man zurückkehrt, von dem man aufbricht. Wegkreuzungen<br />

der Geschichte, der großen Ungerechtigkeiten und der Täuschung.“<br />

Ex Ponto nr. 3, <strong>2011</strong><br />

Als ich hinter mir die Türe des Aufzugs geschlossen hatte, haben mich<br />

der Hochmut, der unermüdete und absurde Stolz versucht: „Was erwarte<br />

ich mir überhaupt aus dieser Welthälfte, die fremd und doch die meine ist“<br />

Niemand kann mir einen guten Rat geben. Mya L. aus New York oder D. aus<br />

Paris oder diese fast unbekann ten Menschen aus Genf, die so viel für mich<br />

getan haben, aber mir trotzdem fremd sind, so wie auch die alte Frau aus dem<br />

Viertel, wo Byron gelebt hat, die mir die Schuhe geputzt hat, bevor wir uns für<br />

immer trennten, und so wie auch das Bedauern, wie Gewissens bisse über die<br />

andere Hälfte der Welt, die in der Nacht des Teufels zurückgelassen worden<br />

war. Bloß ein guter Wille, ein ermutigender Blick, ein Händedruck vor dem<br />

Unbekannten, vor der Unbegrenztheit eines Ozeans. Bloß ich und niemand<br />

aders hat die Gelegenheit, sich zwischen dem einen Weg und dem anderen<br />

zu entscheiden. Soll ich zurückkehren - wohin zu einem Land, einer Stadt,<br />

zu mir als dem von drüben - aber gehöre ich überhaupt denen, zu denen auch<br />

ich gehöre, wo mir die Worte geläufig sind, die man in der Trambahn hört,<br />

oder neben dem Schaufenster eines Kinos oder neben einem Zeitungskiosk,<br />

und geläufig auch das unbestimmte Aussehen der Menschen, das ebenso<br />

neutral wirkt wie mein eigenes Gesicht - unpersönlich geworden, weil ich ihm<br />

täglich begegne - und ihre Gesten oder ihre Haltung, die sie seit Generationen<br />

geerbt haben; soll ich in mein Land zurückkehren, an die Seite dieser endlosen<br />

Reihen von Menschen, wenn sie mit gebeugten Köpfen zum „großem Fest“<br />

des l. Mai gehen, ausrufend, sich entlang einer Tribüne schleppen, die von<br />

einigen Orangutans mit Schirmmützen beherrscht wird, angespornt von den<br />

schrillen Lautsprechern; zurückkehren zu den Büros der Milizoffiziere und<br />

in die beklemmendvollen Wartesäle der Reisepaßkommission Soll ich aus<br />

meinem eigenen Land fliehen Soll ich „bieiben“, soll man über mich sagen<br />

„Er ist drüben geblieben“ oder „Weißt Du, das P. geblieben ist“ Geblieben<br />

irgendwo an einer festen Stelle, beendet die Hetzjagd, das Herumirren, stehen<br />

geblieben; aber dieses Erstar ren hat etwas von dem unerwarteten letzten<br />

Zucken eines Tiers, das daraufhin reglos bleibt oder zu Boden stürzt.<br />

Ich bin den Gang des alten Gebäudes entlanggeschritten, das aus dem<br />

letzten Jahrhundert stammte, aber modern eingerichtet war und mit Zigarettenautomaten<br />

und Kaffeemaschinen in den Ecken großzügig zu kleinen<br />

Annchmlichkeiten ermutigte; dann, vor der Türe angekommen, bin ich, die<br />

Hand auf der Klinke, stehen ge blieben und habe einige Zeit gezögert, als<br />

müßte ich beim Verlassen der Stadt in Richtung meines Zimmers auch die<br />

Grenze von der Freiheit zur Knechtschaft überschreiten.<br />

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