Nr. 3 (32) anul IX / iulie-septembrie 2011 - ROMDIDAC
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Ex Ponto nr. 3, <strong>2011</strong><br />
76<br />
Ich bin einige Zeit vor dem Bahnhof geblieben und habe ver sucht, die<br />
weißen Welien und das krause Haar der Abessinier weiterzuverfolgen, wie<br />
jemand ohne bestimmte Ziele, aufgelegt, seine Zeit zu verschwenden, obwohl<br />
mir irgendwo auch die Absicht deutlich war, eine Leere zu füllen, deren<br />
Ränder immer weiter wur den und einsackten wie Sand, wenn ich mich, ohne<br />
es zu wollen, den beiden Grenzen meines Zwiespalts annäherte. Eine Leere,<br />
die mich mit gefährlichem Ruf anlockte und dabei meinen Willen und die<br />
unmittelbaren Ziele zerstreute.<br />
Dann kam ich wieder zu mir, fand die natürliche, regelmäßige Abfolge der<br />
Schritte wieder und becilte mich, da es seit langem schon dunkel geworden<br />
war, ohne daß ich es gemerkt hatte, und wandte mich, über die Straßen<br />
um den Dom, mit Bars und „Ricordi”-Läden, zurück zum Kunsthistorischen<br />
Institut auf der Strada Giusti. Aber im Studentenzimmer, mit seinen weißen<br />
Wän den, fern von den Menschenströmen des Zentrums, war ich ge zwungen,<br />
mir selbst ins Gesicht zu schen, wie in einem Spiegel, und die Flucht vor mir<br />
selbst aufzugeben, ohne mir freilich auf diese Weise weniger fremd zu sein.<br />
Jedesmal wenn die De mütigung eines verlorenen Kampfes mich an eine schier<br />
endlose, von Ideen und Begriffen entleerte Grübelei nietet, das Gesicht von<br />
der Welt abgekehrt, jedesmal wenn ich vor mir die Entmutigung auftürme, oder<br />
die Einsamkeit oder die Sinnlosigkeit meines Widerstreits, öffnen sich meine<br />
Finger von selbst, während ich sie erstaunt betrachte - als würde zwischen<br />
ihnen das unverstandene Wasser der Zeit entrinnen, das weder umgewendet<br />
noch besänftigt werden kann - wie auch das Leid, das mir den Beweis des<br />
eigenen Daseins erhärtet. In dieser Entfremdung versuche ich mir die Wesen<br />
vor Augen zu stellen, die auf den Grund der Meere gesunken sind, die<br />
bloß scheinbar leben, tatsächlich das Leben endlos nach ahmen, sanft von<br />
Strömungen erschüttert verwirren sie Fischschwärme und Korallenfächer und<br />
verdunkeln vorübergehend den seidigen Rostbelag der Wracks. Alle meine<br />
Argumente, die ich mir seit Wochen wiederholte, um mich in gegensätzliche<br />
Richtungen zu treiben, zer-streuten sich jenseits von Logik und Moral. Auch<br />
die Vorstellung eines möglichen Sieges einer Richtung erschien mir wie das<br />
schöne Auflodern einer Rose, die doch auch in der Welt des Todes wurzelt.<br />
„Es ist nur ein Traum”, sagte ich zu mir. „Ich werde mich von dieser Wirklichkeit<br />
lösen, so wie ich in meinem ganzen Leben im-mer wieder die Augenblicke<br />
überwunden habe, und das Erlittene, und die Freundschaften, und den tiefen<br />
Schmerz von denen, die mich verlassen haben. Ich werde einer neuen Gegenwart<br />
ange-hören, wo die quälenden Wahnbilder der Zweifels, die Schwäche<br />
meiner Entschlüsse, die Furcht vor Verfolgung von mir für immer vergessen<br />
werden. Es wird eine neue Welt sein, wie ein weiterer Kontinent, in einem<br />
neuen Licht, wie ein mögliches Glück. Darf ich fragen: „Was ist das Glück“,<br />
so wie einmal jemand fragte: „Was ist Wahrheit”. Ich habe, wie St... sagte,<br />
das Glück niemals kennengelernt. Er, ja, er wird es hier nicht kennenlernen,<br />
weil er schon längst gestorben ist. Aber ich lebe noch, es tut mir leid um St....<br />
aber ich bin noch nicht tot, ich habe noch eine Zeitspanne vor mir, und eine<br />
Frist, um es zu erobern, dieses leidige Glück.<br />
Jemand hat am Eingang des Instituts geläutet, und ich habe deut lich<br />
gehört, wie sich die Tür des Eintrittsgangs geöffnet hat, das Beschleunigen<br />
eines Motors und eine harte Bremsung neben dem Absatz im Hof. Ein Paar<br />
ist die Treppen heraufgestiegen, wobei es sich im Flüsterton unterhielt, und<br />
nahe bei meinem Zimmer konnte ich einige Worte auf Englisch verstehen.