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Nr. 3 (32) anul IX / iulie-septembrie 2011 - ROMDIDAC

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Allmählich entfernten sich die Geräusche auf dem Korridor, das immer mehr<br />

abnehmende Streifen der Schritte unterbrach die Worte, dann hat sich eine<br />

Türgeöffnet und wieder geschlossen und alles ist wieder zur Stille zurückgekehrt.<br />

Einen Augenblick lang habe ich gemeint, es sei das Ehepaar Crew, das<br />

Giambolognas Skulpturen studierte und in Florenz schon zu den Veteranen<br />

gehörte, immer launig, begrüßten sie sich - als würden sie sich nicht kennen<br />

- und neckten sich, sooft sich dazu die Gelegenheit bot. Ich wartete darauf,<br />

daß sie vor meiner Türe, sei es nur für einen Augenblick, stehen bleiben,<br />

aus Versehen oder anderem Zufall klingelten, mich beim Familiennamen<br />

riefen oder einen anderen Namen aussprachen... Damit ich die interessierte<br />

Aufregung eines Menschen durchlebte, der vor bereitet ist, jemanden zu<br />

empfangen, im Warten einen Zustand zu empfinden, dem in jedem Fall ein<br />

Ende gesetzt wird. Ich wars gewohnt, das Warten hatte als zweite Natur die<br />

erste Unmit telbarkeit eingenommen. Ein Warten ohne Ende, außerhalb der<br />

Zeit, ganze Tage, Wochen, Jahre, ein Leben, ein ganzes Leben lang, so daß<br />

selbst die Bedeutung dieses Ziels sich von ihm gelöst hatte wie eine überreife<br />

Frucht, zergangen war. Eigentlich wagte ich auch nicht mehr, als was ich an<br />

der äußersten Grenze meines Wunsches noch verfolgte. Keine Erwartung,<br />

wie damals, als B., den ich zwei Nächte lang beherbergte, nachdem er sich<br />

zu Fuß über die ungarische Grenze nach Rumänien gestohlen hatte, mit dem<br />

Auftrag, eine neue Gruppe von (potentiellen) Regierungsopfern durch dieselbe<br />

geheime Schleuse in den Westen zu begleiten, eine ziemlich alltägliche Gestalt,<br />

mit eng angekämmtem und vor Brillantine-glänzendem Haar und einem<br />

vogelähnlichen Profil — aber wohl der einzige Mensch, der die Fähigkeit<br />

besaß, während er schlief, seine Augen zu öffnen, und, ohne dadurch seinen<br />

Schlaf zu trüben, sie kreisen zu lassen, womit er sich versicherte, daß ihn keine<br />

Gefahr bedrohte, und sie wieder zu schließen — B. hatte mir versprochen,<br />

daß er mich in den nächsten „Transport“ einfügen würde, und mir auf einem<br />

Papierflecken sogar den bestimmten Tag und die Stunde bezeichnet. Ich habe<br />

ihn mit fieberhaftem Herzen erwartet - meine Tante lebte ja noch, und mein<br />

Roman war noch nicht abgeschlossen - aber er ist zu dem von ihm angegebenen<br />

Zeitpunkt nicht erschienen, auch nicht in den folgenden Tagen, auch<br />

nicht in den darauf folgenden Wochen, während derer ich den Blick auf das<br />

Fenster geheftet hielt, das sich auf einen Stamm mit wildem Weinlaub öffnete<br />

(die großen Blätter begannen sich zu röten, es war schon spät im Herbst). Die<br />

Lösung habe ich erst nach Jahren erhal ten, als ich nackt neben dem Leib<br />

der Malerin L. ruhte und gerade über ihre Brüste nachdachte und sie mir mit<br />

stark moldauischem Akzent bekannte, daß sie aus „Foltişeni“ sei. Also habe<br />

ich sie gefragt, ob sie nicht den B. kenne, und da hat sie mir erzählt, wie er<br />

auf der Grenze erschossen wurde im Herbst ‘49 — genau dann, als er mir<br />

versprochen hatte, mir die Türen zu einem anderen Leben zu öffnen, und als<br />

ich, alle Segel gehißt, das Zeichen zum Beginn dieses Daseins erwartete.<br />

Ich habe gewartet, ich und die in meinem Umkreis, und auch entferntere<br />

Leute, Scharen von Menschen mit gebeugten Köpfen, Tage und Wochen<br />

und Jahre. Anfangs darauf, „daß es anders wird”, dann, als alles erstarrt war,<br />

als das Andere eine unselige Illusion wurde, darauf, zu flüchten, drüben „zu<br />

bleiben” und so ein anderer zu werden. Man wußte, daß es nicht möglich<br />

war, diesen Hof von Erinnerungen oder von Bedauertem hinter sich herzuschleppen.<br />

„Drüben bleiben” ohne dem ich der Vergangenheit noch ähnlich<br />

zu sehen, sondern jemandem, mir selber, fremd, aber glücklich und ein klein<br />

Ex Ponto nr. 3, <strong>2011</strong><br />

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