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Nr. 3 (32) anul IX / iulie-septembrie 2011 - ROMDIDAC

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Ich kam gerade aus dem alten Baptisterium, wo auf der hohen Kuppel<br />

sich Szenen aus der Bibel, ins Mosaik gebannt, abzeichnen, über aschfarbenen<br />

und kalten Mauern, die zu einem Mausoleum zu gehören scheinen.<br />

Um hunderte von Jahren früher hatte Dante die Qualen des Ungläubigen und<br />

das weiße Aufleuchten der Engelscharen mit den Augen verfolgt, entlang des<br />

goldenen Mosaiks, da ganz oben, wo die Stummheit der Wände aufhört. Ich<br />

hatte jedes Mal die mittelalterliche Erzählung betrachtet, die sich im Gewölbe<br />

abwickelt, aber dieses Mal, ganz gefangen von meinem irdischen Starrsinn,<br />

habe ich die Augen nicht zum Jüngsten Gericht erhoben. Wer würde mir das<br />

Schicksal noch zu Lebzeiten bestimmen und für mich zwischen Verdammnis<br />

und Erlösung entscheiden<br />

Lange Zeit war ich in den engen Straßen von Florenz und auf dem Ponte<br />

Vecchio, über den Arno hin - und hergeirrt, der das Ge wicht der fauligen Juveliers<br />

- und Bankiersläden tragen muß, und hatte das materielle Vorübergehen<br />

der Stunden erlebt. Ich habe immer wieder auf die Uhr geschaut ohne ihr<br />

Zifferblatt erkennen zu können, ebensowenig wie das der großen Uhren an<br />

den Straßen ecken. Indem ich mich in die Zeit fügte, hatte ich das Gefühl, sie<br />

zu beherrschen, aber ich weiß tatsächlich nicht wann - wann ich mich auf eine<br />

der Bänke des Baptisteriums geduckt, die Stirn in meine Handflächen gedrückt<br />

habe und auf die grauen Steinplatten des Bodens sah und auf die langen<br />

Schlagschatten der Besucher, die hineinrannten. Dann habe ich diesen Ort<br />

verlassen - wie ich mich erinnere, ohne den Blick zu dem Cherubimsmosaik<br />

zu heben - und habe eine unterirdische Passage durchquert (aber ich bin nicht<br />

sicher, ob das alles sich an einem einzigen Tag zugetragen hat), wo eine Art<br />

Dauerversteigerung stattfand, vor einem Wald aus Stühlen ohne Zuschauer,<br />

und mit einigen Leuten, die - wertlose Gemälde vorbeitragend, im Laufschritt<br />

ein Podium überquerten, und mit einem Herrn mit Krawatte, der die Preise<br />

durch ein schlechtes Mikrophon ansagte, dessen schriller Hall mich noch<br />

einige Zeit, wie die Stimme eines Lungenkranken, verfolgt hat.<br />

Die unterirdische Passage befand sich in der Nähe des Bahnhofs. Es<br />

dauerte nicht lange, und ich habe das Gedränge von Menschen und Autos<br />

entdeckt. Es gab mehrere Tafeln mit ausgestellten Zeitungen und bunten<br />

Zeitschriften - zu meiner Überraschung und Augenweide, aber nicht bloß<br />

zum Vergnügen meiner Augen, wie bei der ersten Reise in den Westen als<br />

ich beim Aussteigen aus dem Flugzeug in Zürich roten Autobussen und<br />

orangen Reklamen und blauen Ladenschildern begegnet bin; ich habe über<br />

diese Begeg nung schreiben wollen, über die Lust an der lebendigen, wahren<br />

Farbe der Wägen und Schaufenster, nach jener düsteren Landschaft der Stadt<br />

Bukarest, wo das Aschgrau und die Traurigkeit der Seelen auf den Kleidern,<br />

auf den Gesichtern, auf dem Putz der Häuser er scheint - ich bin vor dem<br />

Bahnhof stehen geblieben und habe die Menschen betrachtet, die aus den<br />

großen Türen kamen, zwei Nonnen, die wie zwei Silhouetten vorbeigingen,<br />

gefolgt von einem Herrn mit Kolonialhelm, der bedrückt vor sich hin trat, und<br />

nach ihm ein ungewöhnlich magerer Herr, der einen schweren Koffer hinter<br />

sich herschleppte, dann ein Mädchen in Trauerkleidung und eine rotwangige<br />

Bäuerin mit einem Tragewagen, nach der für lange Zeit niemand kam - bevor<br />

eine Gruppe von Abessiniern ganz in weiß erschien, in eng anliegenden Gewändern<br />

- ich bin ihnen häufig auf den Straßen von Florenz begegnet, und<br />

jedes Mal habe ich mich an ihren Krieg mit den Italienern erinnert und an eine<br />

Art Kuchenschnitte aus meiner Kindheit, die „Negus“ hieß.<br />

Ex Ponto nr. 3, <strong>2011</strong><br />

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