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“Gibt es eine Net Generation?” (PDF) - ZHW - Universität Hamburg

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Schulmeister: Gibt <strong>es</strong> <strong>eine</strong> <strong>Net</strong> <strong>Generation</strong>?<br />

Ansätze eignet: dem Bedürfnis nach Kompetenz, nach Autonomie und nach sozialer<br />

Eingebundenheit. Alle Daten zeigen, dass das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit<br />

in s<strong>eine</strong>r Bedeutung für die Heranwachsenden nicht hoch genug eing<strong>es</strong>chätzt werden<br />

kann.<br />

Der Us<strong>es</strong>-and-Gratification-Ansatz hilft letztlich auch bei der kritischen Beurteilung von<br />

Kausalitätshypoth<strong>es</strong>en, wie sie der Hirnforscher Manfred Spitzer (2006) vertritt, dass extensiver<br />

Fernseh- und Computerkonsum zu G<strong>es</strong>undheitsschäden und Gewaltneigung<br />

führen würden. Auch die Studie d<strong>es</strong> Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen<br />

(KFN), die 2005 in den Medien unter dem Titel »Fernsehen macht dumm!« lief,<br />

konstruiert <strong>eine</strong> falsche Kausalität: »Ein Übermaß an Medienkonsum macht dick,<br />

dumm, krank und traurig«, wird der Autor Christian Pfeiffer zitiert. Korrelative Zusammenhänge<br />

sind nicht kausal zu interpretieren, nicht in die <strong>eine</strong> und nicht in die andere<br />

Richtung. Die Ursachen für extensiven Fernsehkonsum oder Computerspiel<strong>es</strong>ucht sind<br />

nicht im Medium selbst zu suchen, sondern dort, wo soziale und familiäre Bedingungen<br />

und Kontexte vorgängig entsprechende Bedürfnisse bei Kindern und Jugendlichen<br />

erzeugt haben: »Die Gründe für das unterschiedliche Rezeptionsverhalten der Jugendlichen<br />

können mit Faktoren wie dem ökonomischen, sozialen oder dem Bildungskapital<br />

erklärt werden […] So scheint die berufliche Einbindung der Eltern bedeutsam dafür zu<br />

sein, wie lange Jugendliche täglich fernsehen.« (Treumann, Meister, Sander u.a. 2007,<br />

S. 77) Und wenn die Studie f<strong>es</strong>tstellt, dass Hauptschüler mehr Fernsehen sehen als<br />

Gymnasiasten (S. 78), so kann man daraus nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass<br />

Fernsehen den Bildungsstand verursacht habe, sondern eher umgekehrt, dass bildungsferne<br />

Schichten im Fernsehen eher ein Medium gegen Langeweile 58 , fehlende Kontakte<br />

oder Inter<strong>es</strong>selosigkeit erblicken.<br />

Di<strong>es</strong>e grundsätzlich normative Sicht wirft schließlich sogar ein Licht auf die aktuell von<br />

Hirnforschern (z.B. Roth 2003) erzwungene Debatte über die Th<strong>es</strong>e der Determiniertheit<br />

allen Denkens und Handelns, während Peter Bieri (2005) und Jürgen Habermas<br />

(2007) dem Determinismus Reflexionen zur Willensfreiheit entgegeng<strong>es</strong>etzt haben. Die<br />

Jugendlichen sind dem Medium nicht ausgeliefert, weil <strong>es</strong> das Medium gibt, sie liefern<br />

sich dem Medium aus, weil <strong>es</strong> ihre Bedürfnisse zu befriedigen scheint. Di<strong>es</strong>e sind aber<br />

vor jedem Medium in der Umgebung und Familie entstanden.<br />

Gegen die Th<strong>es</strong>e zum Zusammenhang von Dummheit und Fernsehkonsum lässt sich<br />

mit Treumann, Meister, Sander u.a. (2007) zudem einwenden, dass Fernsehen in nicht<br />

unerheblichem Maße zur Bildung beiträgt, wobei aus der Analyse deutlich hervorgeht,<br />

dass Bildung und nicht nur Wissen gemeint ist: »Dem Fernsehen kommt <strong>eine</strong> wichtige<br />

Funktion in der Information über aktuelle Ereignisse und G<strong>es</strong>chehnisse zu. Die Ergebnisse<br />

zeigen deutlich, welch wichtigen Stellenwert das Fernsehen bei Jugendlichen einnimmt,<br />

und di<strong>es</strong> nicht nur vor dem Hintergrund der Befriedigung alltagsweltlicher Be-<br />

58 Möglicherweise erklärt das übermächtige Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit sogar die Beobachtung, dass<br />

das Fernsehen nach wie vor das am meisten genutzte Medium ist, denn wenn in der gewichtigen Studie von Treumann,<br />

Meister, Sander u.a. (2007, S. 81) als überwiegend<strong>es</strong> Motiv »Langeweile« angegeben wird, dann wird das<br />

Fernsehen zum ›Zeitfüller‹ wie die Autoren sagen. Eine mögliche Erklärung könnte sein: Die Eltern sind nicht da, die<br />

Freunde nicht greifbar und an alternativen Hobbi<strong>es</strong> hat sich nichts ausgeprägt, also greift man zum Fernseher.<br />

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