“Gibt es eine Net Generation?” (PDF) - ZHW - Universität Hamburg
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8. Fazit: »The Internet just is« 71<br />
Wie kann man nun die g<strong>es</strong>ammelten Diskrepanzen und Widersprüche in der Debatte<br />
um die <strong>Net</strong>zgeneration deuten? Mir scheint, das <strong>es</strong> gut gew<strong>es</strong>en wäre, wenn die Diskutanten<br />
ihre Beobachtungen und Eindrücke auf dem Hintergrund der Sozialisation der<br />
Jugendlichen kontrolliert hätten. Die Sozialisationsforschung vermag zu erklären, dass<br />
auch das Medienverhalten der Jugendlichen heute sich im Kern um di<strong>es</strong>elben allzu<br />
menschlichen Fragen dreht wie stets:<br />
»Heranwachsenden ist <strong>es</strong> wichtig, sich mit Altersgleichen (den Peers) kommunikativ<br />
zu synchronisieren, wozu Handy und Internet <strong>eine</strong>n b<strong>es</strong>onderen Beitrag leisten […]<br />
Die Peers stehen bei der Freizeitb<strong>es</strong>chäftigung ganz oben«. (Tully 2004, S. 154)<br />
Barthelm<strong>es</strong> & Sander (2001), die 22 Jugendliche der Geburtsjahrgänge 1979/1980 im<br />
Abstand von sechs Jahren dreimal (1992, 1994, 1998) interviewten, richten in ihrer<br />
qualitativen Auswertung ihren Blick b<strong>es</strong>onders auf die sozialisatorischen Aspekte d<strong>es</strong><br />
Medienhandelns. Obwohl sie erkennen (S. 27), dass die Jugendlichen mit den Medien<br />
»ihre Inter<strong>es</strong>sen, Vorlieben und Autonomiewünsche« ausleben und »in der Ablösung<br />
von ihren Eltern <strong>eine</strong> eigene G<strong>es</strong>chmackskultur« entwickeln, stellen sie f<strong>es</strong>t: »Jugendzeit<br />
ist jedoch nicht nur Medienzeit. Untersuchungen zum Zeitbudget zeigen, dass in der<br />
Adol<strong>es</strong>zenz die Bedeutung der Gleichaltrigen-Gruppen zunimmt. Für die Peer- und<br />
Paar-Beziehungen wenden die Jugendlichen viel Zeit auf und wünschen sich dafür immer<br />
›noch mehr Zeit‹.« Di<strong>es</strong>e Erkenntnis haben die Autoren zum Titel ihr<strong>es</strong> Buch<strong>es</strong> erkoren:<br />
»Erst die Freunde, dann die Medien«.<br />
Die Rolle der Gleichaltrigen, der Freundschaften, für das Aushandeln von Regeln und<br />
Erwartungen, für den Proz<strong>es</strong>s der Individuation (Krappmann 1993) und die moralische<br />
Entwicklung (Keller 2005) hat durch den Auftritt der Medien nicht an Bedeutung verloren.<br />
Ihre Funktion Handy und Computer werden zum Alltagsgerät mit der vorwiegenden<br />
Funktion, die Kommunikation mit den Peers effektiv zu erledigen. Di<strong>es</strong>e Erkenntnis<br />
wird vom kanadischen Media Awaren<strong>es</strong>s <strong>Net</strong>work (2005) geteilt:<br />
»The underlying m<strong>es</strong>sage is a hopeful one. The majority of young people have integrated<br />
the <strong>Net</strong> into mainstream activiti<strong>es</strong> that strengthen their connections to their<br />
real-world communiti<strong>es</strong> and enrich their social interactions with peers.« (Trends &<br />
Recommendations, S. 4)<br />
Das führt den g<strong>es</strong>amten Hype um die Mediennutzung auf den Boden der Wirklichkeit<br />
zurück. Die Medien werden ab dann genutzt, wenn sie alltagstauglich sind, sie werden<br />
für Ziele genutzt, die man ohnehin anstrebt: »Der Alltag steht für die gewohnheitsmäßigen<br />
Abläufe im Leben, für die Entwicklung von Ritualen und Verhaltenssequenzen, die<br />
von den Akteuren nicht ständig hinterfragt werden, sondern sich offenbar bewähren,<br />
um Orientierung und Sinnstruktur ins Leben zu bekommen. Die Medien werden für b<strong>es</strong>timmte<br />
Funktionen in Dienst genommen und helfen so, den Alltag zu strukturieren.«<br />
(Süss 2004, S. 79).<br />
71 Der Titelzusatz stammt vom Media Awaren<strong>es</strong>s <strong>Net</strong>work (2004), S.8.