“Gibt es eine Net Generation?” (PDF) - ZHW - Universität Hamburg
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Die Propagandisten der <strong>Net</strong> <strong>Generation</strong><br />
Fremdsprache immer <strong>eine</strong>n »Akzent« behalten, denn »a language learned later in life,<br />
scientists tell us, go<strong>es</strong> into a different part of the brain.«<br />
Vermutlich ist das, was Prensky mit der Metapher der digitalen Sprache meint, mit dem<br />
Begriff der ›media literacy‹ b<strong>es</strong>ser gekennzeichnet, <strong>eine</strong>m klassischen Begriff, der die<br />
Differenzierung einschließt, dass sich die Medienkompetenz nach Art und Niveau<br />
verständlicherweise unterscheiden wird (s. Baake 1998; Aufenanger 2001), wobei aber<br />
Prensky nichts aussagt zu den evaluativen Dimensionen der Medienkompetenz.<br />
Die Plastizität d<strong>es</strong> Hirns<br />
Prensky überhöht s<strong>eine</strong> Idee der digitalen Muttersprachler ideologisch, indem er die<br />
Hirnforschung bemüht:<br />
»It is now clear that as a r<strong>es</strong>ult of this ubiquitous environment and the sheer volume<br />
of their interaction with it, today’s students think and proc<strong>es</strong>s information fundamentally<br />
differently from their predec<strong>es</strong>sors. Th<strong>es</strong>e differenc<strong>es</strong> go far further and deeper<br />
than most educators suspect or realize. ›Different kinds of experienc<strong>es</strong> lead to different<br />
brain structur<strong>es</strong>,‹ says Dr. Bruce D. Berry of Baylor College of Medicine. As we<br />
shall see in the next installment, it is very likely that our students’ brains have physically<br />
changed – and are different from ours – as a r<strong>es</strong>ult of how they grew up. But<br />
whether or not this is literally true, we can say with certainty that their thinking patterns<br />
have changed. I will get to how they have changed in a minute.«<br />
Die Erkenntnis der Plastizität d<strong>es</strong> Hirns ist nicht neu, aber di<strong>es</strong>e b<strong>es</strong>agt nicht, dass <strong>eine</strong><br />
<strong>Generation</strong> über ein »ander<strong>es</strong>« Denken verfüge, was immer das andere Denken sei.<br />
Durch Erleben soll sich nach Prensky bereits physiologisch ein ander<strong>es</strong> Hirn ergeben 20 ,<br />
das Denken (bis auf die Logik) soll sich unterscheiden. Die Plastizität d<strong>es</strong> Hirns ist<br />
wichtig für das Überleben d<strong>es</strong> Einzelnen, insb<strong>es</strong>ondere nach Unfällen, sie konstituiert<br />
jedoch k<strong>eine</strong> unterschiedlichen Hirne in dem Sinne, dass sich generell andersartige<br />
»brain structur<strong>es</strong>« ergeben. Die Analogie zur Sprache und zum Hirn ist hanebüchen.<br />
Das Hirn entwickelt sich ständig aufgrund der ständig gemachten Erfahrungen, <strong>es</strong> ändert<br />
jedoch nicht s<strong>eine</strong> biologischen Strukturen. Es sind k<strong>eine</strong> ANDEREN, ANDERSAR-<br />
TIGEN oder BESONDEREN Transformationen, die das Hirn durch den Gebrauch der<br />
Medien erfährt, sondern einfach die Proz<strong>es</strong>se, die bei allen Individuen durch Interagieren<br />
mit den Objekten der realen Welt und durch die kommunikative Interaktion stattfinden.<br />
Selbst, wenn neurologisch-biologische Mutationen der Hirnstruktur stattfinden<br />
würden, wie sie Prensky postuliert, dann würden solche Proz<strong>es</strong>se sicher nicht im Verlauf<br />
<strong>eine</strong>r einzigen familialen <strong>Generation</strong> stattfinden.<br />
20 Das führt bei Epigonen dann zu Aussagen wie »kids today are different neurologically« (Juk<strong>es</strong> & Dosaj 2004), begleitet<br />
von der widersprüchlichen Einschränkung »not just because of the way they talk or what they say, or how they<br />
act« [http://www.infosavvygroup.com]. Juk<strong>es</strong> und Dorsaj wiederholen im W<strong>es</strong>entlichen Prenskys Behauptungen und<br />
mischen di<strong>es</strong>e mit anderen längst widerlegten Modellen d<strong>es</strong> Lernens wie der sog. Lernpyramide, die Weidenmann<br />
(1995) als »naive Summierungstheorie der Sinn<strong>es</strong>kanäle« (S. 65) bezeichnet hat (s.a. Schulmeister 2003). Prensky<br />
beruft sich auf <strong>eine</strong>n Experten, der sich nicht mit Hirnforschung generell, sondern speziell mit den Konsequenzen<br />
traumatischer Erlebnisse befasst hat, zu denen das Computererleben nicht zu zählen ist. Der Experte ist nicht Berry,<br />
sondern Perry, wie Jamie MacKenzie herausgefunden hat.<br />
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