“Gibt es eine Net Generation?” (PDF) - ZHW - Universität Hamburg
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Wissen und Lernen: Kultur und Werte<br />
Schulmeister: Gibt <strong>es</strong> <strong>eine</strong> <strong>Net</strong> <strong>Generation</strong>?<br />
Prensky geht noch <strong>eine</strong>n Schritt weiter und räsoniert, welche Art Wissen für die Eingeborenen<br />
der digitalen Welt angem<strong>es</strong>sen sind:<br />
»›Legacy‹ content includ<strong>es</strong> reading, writing, arithmetic, logical thinking, understanding<br />
the writings and ideas of the past, etc – all of our ›traditional‹ curriculum. It is of<br />
course still important, but it is from a different era. Some of it (such as logical thinking)<br />
will continue to be important, but some (perhaps like Euclidean geometry) will<br />
become l<strong>es</strong>s so, as did Latin and Greek. ›Future‹ content is to a large extent, not surprisingly,<br />
digital and technological. But while it includ<strong>es</strong> software, hardware, robotics,<br />
nanotechnology, genomics, etc. it also includ<strong>es</strong> the ethics, politics, sociology,<br />
languag<strong>es</strong> and other things that go with them.«<br />
Di<strong>es</strong>e Charakterisierung von Content geht völlig an jeder wissenschaftstheoretischen<br />
Analyse vorbei. Nur verstehen zu wollen, was Prensky mit der so dahin g<strong>es</strong>chriebenen<br />
Dichotomie ›legacy versus future‹ meint, stößt schon auf immense Schwierigkeiten:<br />
Zunächst muss gefragt werden, was denn mit Content gemeint ist. Es geht doch schließlich<br />
um Wissen, kodifiziert<strong>es</strong> Wissen. Prensky vermeidet den Begriff Wissen und adr<strong>es</strong>siert<br />
nur die Speicherform. Offenbar ist ›legacy content‹ vererbter, tradierter Content,<br />
der über ein Attribut verfügt: Er ist entweder veraltet oder nicht veraltet. Di<strong>es</strong><strong>es</strong> Attribut<br />
trifft aber nur auf Wissen zu, nicht auf Content, denn Wissen in <strong>eine</strong>r vergegenständlichten<br />
Form liegt in unterschiedlichen Formaten vor, in Stein, in Papier, in Bildern, in<br />
Bändern und Platten, und <strong>es</strong> ist Kultur und veraltet als solche nicht. ›Future content‹ ist<br />
nach Prensky meist digital. Auch hier stockt der Atem: Wissen ist weder analog noch<br />
digital, also auch hier ist nur die Speicherform bezeichnet. Tradiert<strong>es</strong> Wissen lässt sich<br />
auch nicht auf den Kanon klassischer Schulbildung reduzieren. Und die »ethics, politics,<br />
sociology, languag<strong>es</strong> and other things«, die offenbar nicht veralten, kann man nicht<br />
auf Dinge b<strong>es</strong>chränken, die mit Rechnern und Informatik zu tun haben, »that go with<br />
them«, wobei gemeint sind: software, hardware, robotics, nanotechnology, genomics.<br />
Die Unterscheidung zwischen ›legacy‹ und ›future‹ ist im b<strong>es</strong>ten Fall irrelevant, wenn<br />
nicht irreführend.<br />
Warum muss Prensky di<strong>es</strong>e Dichotomie konstruieren? Er will dem heutigen Bildungssystem<br />
Versagen vorwerfen, indem er behauptet, die Lehrer, die Älteren, die digitalen<br />
Immigranten, würden das Zukunftswissen nicht lehren können:<br />
»This ›Future‹ content is extremely inter<strong>es</strong>ting to today’s students. But how many<br />
Digital Immigrants are prepared to teach it? Someone once sugg<strong>es</strong>ted to me that kids<br />
should only be allowed to use computers in school that they have built themselv<strong>es</strong>.<br />
It’s a brilliant idea that is very doable from the point of view of the students’ capabiliti<strong>es</strong>.<br />
But who could teach it?«<br />
Ich kann mir G<strong>es</strong>chichte, Erdkunde, Ethnologie, Sprachen, Literatur nicht ohne Normen<br />
und Werte vorstellen, nicht ohne Reflexion über Moral und Ethik und ohne Selbstrefle-<br />
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