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Titel und Vorspann-1 - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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ausfüllt, kommt in flammendrotem Gewand direkt auf den Betrachter zu. An ihn klammern<br />

sich kleine Kinder, deren übergroße Köpfe <strong>und</strong> Augen von Hunger <strong>und</strong> Krankheit<br />

gezeichnet sind. Das Werk wurde in der Zeitung der kommunistischen Partei<br />

„Klassenkampf“ eindeutig auf die Zeit, auf den grassierenden Hunger <strong>und</strong> die damit<br />

einhergehenden Tuberkulose-Erkrankungen bezogen. 603 Es ist stilistisch den<br />

Deckenbildern in der Dorfkirche von Schmirma eng verwandt. Völker hatte nur wenige<br />

Wochen zuvor den Zyklus mit Szenen aus dem Leben Jesu Christi für die kleine<br />

evangelische Dorfgemeinde fertiggestellt. In der archaischen Art der Darstellung <strong>und</strong> der<br />

Farbigkeit ähneln sich die Arbeiten stark. Während sich in Schmirma die vielfigurige<br />

Szene „Christus <strong>und</strong> die Kinder“ in einer weiten Landschaft überaus friedvoll darstellt,<br />

schreitet der Christus in der Stadt allein zwischen den hohen engen Mauern eines<br />

Fabrikviertels. Die Kinder, die sich an ihn schmiegen, sehen ängstlich aus. Ein zweites,<br />

diesem wohl sehr ähnliches Gemälde muss ebenfalls auf der Ausstellung gewesen sein.<br />

Es wird als Monumentalbild für einen Versammlungssaal <strong>und</strong> als „Anklageschrei eines<br />

gequälten Volkes“ 604 bezeichnet. Sein Verbleib ist unbekannt. Es ist nicht im<br />

Werkverzeichnis enthalten. Neben schon zitierten Veröffentlichungen verschiedener<br />

Tageszeitungen erschien unter dem Kürzel Sr. in der <strong>Halle</strong>schen Zeitung 605 ein Beitrag<br />

unter dem <strong>Titel</strong> „Der rote Maler in der Kirche“ 606 , eine umfangreiche polemische Kritik, in<br />

der die Bilder Völkers als „gewissenlose Parodierung“ <strong>und</strong> als „Neubefruchtung der<br />

Giftschlange Klassenhaß“ beschrieben wurden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt erhielt<br />

der Künstler wohl seinen Namen „der rote Völker“. Das unbekannte, an zentraler Stelle<br />

gehängte Bild beschrieb der Rezensent detailliert: „eine Gestalt, die dir das Blut in den<br />

Adern gerinnen macht: in raffiniert salopper Aufmachung – die Pappe des Bildes ist roh<br />

der Länge nach aus zwei Stücken zusammengeleimt – schreitet auf dich zu ein Weib in<br />

härenem Gewande <strong>und</strong> hinter ihm ein endloser Zug von gleichen Weibern; der linke Arm<br />

drohend erhoben, Nägelmale an Händen <strong>und</strong> Füßen, aus schwarzem Stirnhaar tropft<br />

dickes Blut von der anscheinend soeben erst abgelegten Dornenkrone, an das Gewand<br />

geklammert ein hohläugiges verlumptes Kind.“ In dieser Zeit entstand auch eine<br />

Zeichnung, vielleicht eine Skizze zum Bild, die einen langen Zug von Frauen <strong>und</strong> ihren<br />

Kindern zeigt, die entschlossen auf den Betrachter zukommen (Abb. 43). In der oben<br />

zitierten Rezension folgte danach in ähnlichem Duktus eine Beschreibung von „Christus<br />

<strong>und</strong> die Kinder“. Der Rezensent stellte die Verwendung christlicher Symbolik in Frage <strong>und</strong><br />

verstand nicht, weshalb die anderen Künstlervereinigungen mit ihren eher bürgerlichen<br />

603 KK, Nr. 248 vom 23.10.1922.<br />

604 HN, Nr. 247 vom 21.10.1922.<br />

605 Die HZ wurde 1923 in ‚Das Wort’ als deutschvölkisches Blatt bezeichnet.<br />

606 Mit der Kirche ist hier der Ausstellungsort, die Garnisonkirche gemeint.

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