Titel und Vorspann-1 - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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Der Blick des Betrachters fällt in Schmirma zuerst auf die Kreuzigung Christi im Mittelfeld<br />
vor der Kanzel (Abb. 56). Völker knüpfte mit der frontalen Abbildung des gekreuzigten<br />
Christus, flankiert von den beiden Schächern, an Darstellungen der frühchristlichen Kunst<br />
an. Die spannungsvolle Gruppierung der Figuren durch eine Verschiebung des<br />
Bildakzentes aus der Mitte findet ihre Entsprechung in der Himmelfahrt auf der anderen<br />
Seite im Mittelfeld. Hier stellte Völker auf der rechten Bildseite die Christusfigur erhöht dar<br />
<strong>und</strong> ordnete die Menschengruppe auf der linken Seite an. Durch ein leuchtend blaues<br />
Feld werden diese beiden Deckenbilder miteinander verwoben. Das stark dominierende<br />
Himmelsblau <strong>und</strong> der Gestus des Christus als Orant auf der Himmelfahrt heben die rot<br />
gewandete Figur besonders hervor (Abb. 57). Völker stellte die Jünger <strong>und</strong> Christus im<br />
Augenblick der Entrückung dar. Auf die große Nähe zum Christus auf den Bildern<br />
Matthias Grünewalds auf dem Isenheimer Altar wies Ingrid Schulze wiederholt hin. 716 Eine<br />
Inspiration in formaler Hinsicht durch diesen Maler scheint nicht verw<strong>und</strong>erlich, da er sich<br />
zu dieser Zeit einer großen Popularität erfreute. Da Völker in seinen Arbeiten um eine<br />
prägnante Darstellung in angemessener Form rang, waren die Bilder Grünewalds, vor<br />
allem die „Kreuzigung“ <strong>und</strong> die „Auferstehung“ in ihrer Beschränkung auf das Wesentliche<br />
<strong>und</strong> die Komposition der Figuren sicherlich eine Offenbarung für den Künstler (Abb. 58).<br />
Die Kreuzigung <strong>und</strong> die Himmelfahrt in der Schmirmaer Kirche lassen zugleich Parallelen<br />
zu den nur wenig früher entstandenen Fresken im Sitzungssaal der Produktiv-<br />
Genossenschaft <strong>Halle</strong>-Merseburg erkennen. 717 So begegnete auch dort die Darstellung<br />
des Oranten auf dem Bild „Schon steigen an die Sklavenscharen <strong>und</strong> ihre alte Fessel<br />
bricht“ (Abb. 59). Und auf der Darstellung mit dem <strong>Titel</strong> „Trotz Alledem. Es lebe die<br />
Weltrevolution“ ist eine christusähnliche Figur, die W<strong>und</strong>male an Händen <strong>und</strong> Kopf<br />
vorzeigend, zu sehen.<br />
Die Christusgestalt in Schmirma ist durchgängig durch das rote Gewand charakterisiert,<br />
erhebt sich aber ansonsten nicht aus dem Kreis der anderen Personen. Dies entsprach<br />
der Vorstellung des Künstlers von der Gleichheit, dem proletarischen Christus, dem<br />
Erlöser <strong>und</strong> Verteidiger des einfachen Menschen, den er auch auf seinem 1922<br />
entstandenen Gemälde „Christus in der Gasse“ darstellte: Eine archaische Gestalt in<br />
langem roten Gewand, die zwischen engen an Häuserschluchten <strong>und</strong> Gefängnisse<br />
erinnernden Backsteinmauern auf den Betrachter zukommt <strong>und</strong> an den sich<br />
schutzbedürftig <strong>und</strong> vertrauensvoll zwei Kinder klammern, deren Hungersnot<br />
augenscheinlich ist.<br />
716 Vgl. SCHULZE 1989, S. 24 f.; SCHULZE 1991, S.122 ff., 128 ff.<br />
717 Vgl. SCHULZE, 1990-2, S. 99 ff.