Kristijonas Donelaitis und seine „Metai” – eine Rezeptionsgeschichte
Kristijonas Donelaitis und seine „Metai” – eine Rezeptionsgeschichte
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3 <strong>Kristijonas</strong> <strong>Donelaitis</strong> - <strong>eine</strong> kontroverse Rezeption<br />
Zu den größten <strong>Donelaitis</strong>-Monographien der 50-er Jahre zählt das 1954<br />
von Leonas Gineitis veröffentlichte Buch Kristijono Donelaičio <strong>„Metai”</strong>, in<br />
dem er ausführlich über die Thematik der Metai, die Bedeutung des Klas-<br />
senkampfes im Werk, <strong>s<strong>eine</strong></strong> starken Bezüge zur Wirklichkeit, sprachliche<br />
<strong>und</strong> stilistische Besonderheiten des Epos <strong>und</strong> <strong>s<strong>eine</strong></strong> Veröffentlichungen <strong>und</strong><br />
Übersetzungen im Laufe der fast 150 Jahre Stellung nimmt. Gleich zu Be-<br />
ginn <strong>s<strong>eine</strong></strong>r Einleitung weist Gineitis darauf hin, dass die Kommunistische<br />
Partei <strong>und</strong> die sowjetische Regierung der litauischen Nationalkultur große<br />
Aufmerksamkeit schenken. Eine besondere Bedeutung komme dabei dem<br />
Schriftsteller <strong>Kristijonas</strong> <strong>Donelaitis</strong> zu. Dieser beschreibe in ausdrucks-<br />
vollen künstlerischen Bildern „den Alltag der leibeigenen Bauern, indem<br />
er die grauenvollen Erscheinungen sozialer <strong>und</strong> nationaler Unterdrückung<br />
aufzeigt <strong>und</strong> uns tief in Momente <strong>und</strong> Etappen des Klassen- <strong>und</strong> National-<br />
bewusstseins der Bauern als auch in Phasen des Klassenkampfes blicken<br />
lässt.” (Gineitis, 1954, S.6) 98 Gineitis legt großes Gewicht auf die progres-<br />
sive, erzieherische Wirkung der Metai im Kampf gegen den Feudalismus<br />
<strong>und</strong> allgem<strong>eine</strong>r im Kampf gegen die Ausbeuter <strong>und</strong> Unterdrücker der<br />
Arbeiter. (vgl. Gineitis, 1954, S.7) Dem Klassenkampf ist in Gineitis Ab-<br />
handlung ein spezielles Kapitel gewidmet.<br />
Verw<strong>und</strong>erlich sch<strong>eine</strong>n diese Äußerungen über <strong>Donelaitis</strong> nicht, heisst<br />
es doch schon einleitend im Manifest der Kommunistischen Partei von<br />
Marx <strong>und</strong> Engels: „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften ist die<br />
Geschichte von Klassenkämpfen.” In der Geschichte gab es stets Tendenzen<br />
<strong>und</strong> Entwicklungen, die laut Marx hin zum Kommunismus führen mussten.<br />
Durch <strong>eine</strong>n immer währenden Klassenkampf wird die vorhergehende ge-<br />
sellschaftliche Phase überw<strong>und</strong>en. In allen gesellschaftlichen Phasen muss<br />
es demnach Menschen gegeben haben, die diesen Klassenkampf ausgeführt<br />
haben.<br />
<strong>Donelaitis</strong> wurde von der Literaturpolitik als Vertreter des Klassen-<br />
kampfes dargestellt. Aufgr<strong>und</strong> der Interpretation, <strong>Donelaitis</strong> riefe <strong>s<strong>eine</strong></strong><br />
litauischen Bauern zum Klassenkampf gegen die herrschenden Gr<strong>und</strong>be-<br />
sitzer auf, galt er praktisch als Vorläufer des Sozialismus. Der Sozialismus<br />
98 lit. „ valstieči¸u baudžiaunink¸u kasdienin¸e buiti¸, parodydamas šiurpius socialin˙es ir<br />
tautin˙es priespaudos reiškinius, leisdamas aiškiai i¸žiūr˙eti klasi¸u kovos, klasinio ir<br />
tautinio valstieči¸u s¸amon˙ejimo momentus bei etapus...”<br />
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