Kristijonas Donelaitis und seine „Metai” – eine Rezeptionsgeschichte
Kristijonas Donelaitis und seine „Metai” – eine Rezeptionsgeschichte
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3 <strong>Kristijonas</strong> <strong>Donelaitis</strong> - <strong>eine</strong> kontroverse Rezeption<br />
Auch J. Dobilas hebt <strong>Donelaitis</strong>’ Religiösität stark hervor. 1930 verfass-<br />
te er <strong>eine</strong>n Artikel über <strong>Donelaitis</strong>, der in der Zeitschrift Jaunoji Lietuva<br />
veröffentlicht wurde. Nach Meinung von Dobilas stünde bei <strong>Donelaitis</strong> als<br />
Person der Christ (lit. krikščionis) an erster Stelle, dann folge der „Christ<br />
lutherischen Glaubens” (lit. liuteri¸u tik˙ejimo krikščionis) <strong>und</strong> an dritter<br />
Stelle stünde der Litauer (lit. lietuvis). „Das Christentum verleiht <strong>s<strong>eine</strong></strong>m<br />
Werk <strong>eine</strong>n leitenden <strong>und</strong> mystischen Charakter, der lutherische Glaube<br />
dann die wahre charakterliche Färbung <strong>und</strong> das Litauertum letztendlich<br />
das richtige Verständnis von der Natur <strong>und</strong> ihrer Vergöttlichung.” (Dobi-<br />
las, 1930) 27 Für <strong>Donelaitis</strong> sei die Natur etwas, worin er Gottes Kraft <strong>und</strong><br />
Allmacht, <strong>s<strong>eine</strong></strong> Weisheit <strong>und</strong> Vollkommenheit spüre.<br />
Dobilas führt bei der Betrachtung des <strong>Donelaitis</strong>-Werkes <strong>eine</strong>n für die<br />
<strong>Donelaitis</strong>-Rezeption völlig neuen Vergleich mit Dante an. Von <strong>s<strong>eine</strong></strong>m<br />
charakterlichen Wesen sei <strong>Donelaitis</strong> dem italienischen Klassiker Dante<br />
sehr nah, denn auch Dante konnte sehr belehrend sein, was ihn zu <strong>eine</strong>m<br />
geistigen Verwandten von <strong>Donelaitis</strong> macht, der häufig Belehrungen <strong>und</strong><br />
Zurechtweisungen in sein Werk einbezog. Am meisten Ähnlichkeit hätte<br />
<strong>Donelaitis</strong> jedoch mit dem englischen Dichter Thomson gehabt.<br />
Auch Dobilas ist sich <strong>Donelaitis</strong>’ Eigentümlichkeit bewusst. Er emp-<br />
findet dessen Werk <strong>und</strong> <strong>s<strong>eine</strong></strong> Person als leicht befremdlich. Interessant<br />
an <strong>s<strong>eine</strong></strong>n Äußerungen ist der fehlende Bezug zum Realismus, der sonst<br />
von vielen Literaturkritikern hergestellt wird. Entgegen der allgem<strong>eine</strong>n<br />
Auffassung stellt Dobilas <strong>Donelaitis</strong> vorerst als <strong>eine</strong> farblose, rational den-<br />
kende Person dar, auf deren Gr<strong>und</strong> man erst später nach intensiverer<br />
Rezeption stößt.<br />
„ Mit <strong>s<strong>eine</strong></strong>r Kälte <strong>und</strong> Farblosigkeit <strong>und</strong> der Tatsache, dass<br />
in <strong>s<strong>eine</strong></strong>m Werk zumeist der Verstand überwiegt, war Donelai-<br />
tis uns, den Söhnen Großlitauens, recht fremd <strong>und</strong> fern. Aber<br />
als wir dann stärker unter die Oberfläche in die Tiefe des recht<br />
befremdlichen Werkes schauten, erblickten wir derartige Kost-<br />
barkeiten, die wir um so mehr zu lieben beginnen, schon allein<br />
27 lit. „Krikščionyb˙e duoda jo kūribai id˙ejini¸ ir mistini¸ charakteri¸, liuteranizmas - tam<br />
tikr¸a charakterio atspalvi¸, o lietuvyb˙e tam tikr¸a gamtos supratim¸a ir jos dievinim¸a.”<br />
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