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Kristijonas Donelaitis und seine „Metai” – eine Rezeptionsgeschichte

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4 Zusammenfassung<br />

des Staates mitzuwirken. Zumindest lässt sich diese Einstellung gegenüber<br />

dem Dichter vermuten. Sie wollten aus dem ersten litauischen Dichter ein-<br />

fach kein Kapital schlagen. Dass gerade diese Eigenschaften des Dichters<br />

<strong>und</strong> <strong>s<strong>eine</strong></strong>s Werkes den Sowjets dazu verhalfen, ihre politischen Taten <strong>und</strong><br />

ideologischen Gr<strong>und</strong>sätze zu verteidigen <strong>und</strong> zu legitimieren, klingt fast<br />

absurd.<br />

Fasst man diese Rezeptionen des Dichters <strong>Donelaitis</strong> <strong>und</strong> <strong>s<strong>eine</strong></strong>s Werkes<br />

aus der Zeit der Unabhängigkeit zusammen, so wird deutlich, dass Do-<br />

nelaitis stets als der protestantische Pfarrer gesehen wird, der er war. Er<br />

wird weder als Patriot noch als Nationalheld gefeiert. S<strong>eine</strong>m Werk wird<br />

für die nationale Erweckung wenig Bedeutung beigemessen, obwohl man<br />

ihm in <strong>s<strong>eine</strong></strong>r Funktion als erstem litauischen Schriftsteller durchaus Ehre<br />

zuteil werden lässt.<br />

In <strong>eine</strong>r jungen Republik, der es an <strong>eine</strong>m nationalen Epos, an identi-<br />

tätsstärkenden kulturellen Eigenheiten fehlte, hätte <strong>Donelaitis</strong> durchaus<br />

zum nationalen Helden umgedeutet werden können. Aus dem Gebiet stam-<br />

mend, welches später von den Deutschen „germanisiert” wurde, hätte er<br />

auch in der Zwischenkriegszeit leicht für politische Zwecke vereinnahmt<br />

werden können. Ansätze dafür zeigen sich in den Artikeln von Petrulis,<br />

Miškinis <strong>und</strong> Kuzmickis, in denen auf die „harte Hand” der Deutschen<br />

verwiesen wird, welche sich immer noch im nun von Litauen besetzten<br />

Memelgebiet befinden. Die Auslegung von <strong>Donelaitis</strong>’ Werk als Ankla-<br />

geschrift gegen die deutsche Obrigkeit hätte von den litauischen Litera-<br />

turkritikern herrlich als Legitimation für die gewaltsame Okkupation des<br />

Memelgebietes von Kaunas aus dienen können. Wie Untersuchungen u.a.<br />

von Alvydas Nikžentaitis zeigen, sollte in Zwischenkriegslitauen ein ganz<br />

konkretes Bild der Deutschen an die Öffentlichkeit gelangen. Sowohl in<br />

der Presse als auch in der wissenschaftlichen Literatur herrscht nach dem<br />

Anschluss des Memellandes an Litauen, also nach 1923 ein negatives Bild<br />

der Deutschen vor. Man könnte m<strong>eine</strong>n, die literaturkritischen Artikel zu<br />

<strong>Donelaitis</strong> reihten sich in diese Folge ein. Jedoch blieb <strong>eine</strong> intensive Nut-<br />

zung des ersten litauischen Dichters für die Politik der Smetona-Regierung<br />

aus. Nur vereinzelt finden sich nationalpatriotische Äußerungen über ihn<br />

<strong>und</strong> er galt als wichtiger literarischer Vertreter, welcher in der Schullektüre<br />

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