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Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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194 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />

stimmenden Folgenlassens. Daher ist im Kausalgesetz, als<br />

einem Grundsatz <strong>der</strong> Zeitfolge, die Ursache das Vorherige, die<br />

Wirkung das Nachherige. Nun zeigt sich aber doch, daß <strong>der</strong><br />

»Satz <strong>der</strong> Kausalverknüpfung unter den Erscheinungen« nicht<br />

eingeschränkt ist auf die Folge <strong>der</strong> Erscheinungen, son<strong>der</strong>n auch<br />

auf »ihre Begleitung« passe, d. h. aber, daß Ursache und Wirkung<br />

zugleich sein können. 13 Demzufolge kann dann auch die<br />

Zeitfolge nicht das einzige und somit kein sicheres empirisches<br />

Kriterium sein für etwas als Wirkung, d. h. seine Beziehung<br />

auf seine Ursache. Kausalität darf dann überhaupt nicht auf<br />

einen Grundsatz <strong>der</strong> Zeitfolge orientiert werden. Wie löst<br />

Kant die obige Schwierigkeit auf, sofern er eben doch Kausalität<br />

auf Zeitfolge allein orientiert?<br />

Zunächst ein Beispiel für das Zugleichsein von Ursache und<br />

Wirkung. »Es ist z. B. Wärme im Zimmer, die nicht in freier<br />

Luft angetroffen wird. Ich sehe mich nach <strong>der</strong> Ursache um<br />

und finde einen geheizten Ofen. Nun ist dieser als Ursache,<br />

mit seiner Wirkung, <strong>der</strong> Stubenwärme, zugleich; also ist hier<br />

keine Reihenfolge, <strong>der</strong> Zeit nach, zwischen Ursache und Wirkung,<br />

son<strong>der</strong>n sie sind zugleich, und das Gesetz gilt doch«.14<br />

Kant bemerkt dazu, daß sogar »<strong>der</strong> größte Teil« <strong>der</strong> Naturursachen<br />

mit ihren Wirkungen zugleich sei und daß das Späterund<br />

Nachhersein <strong>der</strong> Wirkung nur dadurch veraniaßt sei, daß<br />

die Ursache »ihre ganze Wirkung nicht in einem Augenblick«15<br />

verrichten könne. Wo eine Wirkung entsteht, ist sie immer mit<br />

dem Ursache sein <strong>der</strong> Ursache zugleich, muß es sogar sein. Denn<br />

würde die Ursache in ihrem Ursachesein unmittelbar vor Entstehung<br />

<strong>der</strong> Wirkung aufhören zu sein, dann könnte die Wirkung<br />

gar nicht entstehen. Gerade solange noch Ursache in<br />

ihrem Ursachesein ist, kann allein Wirkung entstehen und selbst<br />

sein. So ist also eine Gleichzeitigkeit bei<strong>der</strong> notwendig.<br />

Trotzdem spricht dieses notwendige Zugleichsein nicht gegen<br />

13 Kant, Kr. d. r. V., A. 202, B 247.<br />

14 a.a.O., A 202, B 247 f.<br />

15 a.a.O., A 203, B 248.<br />

§ 20. Zwei Arten <strong>der</strong> Kausalität 195<br />

die wesensmäßige Zugehörigkeit <strong>der</strong> Zeitfolge zum Kausalitätsverhältnis,<br />

so wenig, daß wir gerade erst in Abhebung gegen<br />

dieses Zugleichsein die echte Bedeutung dessen erfassen,<br />

was mit Zeitfolge hier gemeint ist. Sie schließt nicht aus, son<strong>der</strong>n<br />

ein das Sichüberschneiden <strong>der</strong> Dauer <strong>der</strong> Anwesenheit <strong>der</strong><br />

Ursache und <strong>der</strong> Wirkung. Aber wie groß auch o<strong>der</strong> wie klein<br />

die Spanne des Zeitverlaufs zwischen dem Aufbrechen von Ursache<br />

und Wirkung als an<strong>der</strong>em sein mag - sie mag verschwindend,<br />

d. h. beide mögen zugleich sein -, das Verhältnis zwischen<br />

dem einen als Ursache und dem an<strong>der</strong>en als Wirkung<br />

bleibt doch. Denn dieses bleibende Verhältnis, das je<strong>der</strong>zeit bestimmbar<br />

ist, meint eben die Beziehung des einen als des Vorigen<br />

zum an<strong>der</strong>en als dem Nachherigen, genauer die Einseitigkeit<br />

<strong>der</strong> Richtung dieses Nacheinan<strong>der</strong> bzw. Zugleich, d. h.<br />

daß die Richtung <strong>der</strong> Folge, ihre Ordnung, nicht umkehrbar<br />

ist. Folge meint hier demnach nicht das pure Nacheinan<strong>der</strong> im<br />

Wechsel des Anhebens und Verschwindens, son<strong>der</strong>n Folge meint<br />

die Ordnung des Folgenden als des nicht umkehrbaren, gerichteten,<br />

nicht wechselseitigen Nacheinan<strong>der</strong> bzw. Zugleich. Das<br />

Entscheidende im Begriff des Zeitmodus >Folge< ist nicht die<br />

Dauer und Geschwindigkeit des Ablaufs und Verlaufs, son<strong>der</strong>n<br />

die einsinnig gerichtete Ordnung in <strong>der</strong> Anwesenheit des einen<br />

und des an<strong>der</strong>en. Dieser gemäß ist die Ursache, auch wenn sie<br />

noch ist und folglich mit <strong>der</strong> Wirkung zugleich ist, unwi<strong>der</strong>ruflich<br />

vorausgegangen, und sie kann nicht in bezug auf die<br />

Wirkung <strong>der</strong>en Nachfolgendes werden. 16 Folge meint Ablaufsrichtung,<br />

nicht Ablaufsvorgang. Ablaufsrichtung schließt aber<br />

nicht aus das Zugleich-anwesend-sein von Ursache und Wirkung.<br />

Folge meint nicht, daß, wenn Wirkung erfolgt, das an<strong>der</strong>e<br />

(Ursache) verschwunden sein müßte. Die Folge als Zeitmodus,<br />

<strong>der</strong> die Kausalität auszeichnet, ist demnach mit Zugleichsein<br />

von Ursache und Wirkung vereinbar.<br />

Durch diese nähere Bestimmung des Charakters <strong>der</strong> Folge<br />

18 Vgl. Kants Beispiel von Kugel und Grübchen, a.a.O., A 203, B 248 f.

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