Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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148 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />
überhaupt. An<strong>der</strong>erseits müssen wir den allzu eiligen und allgemeinen<br />
Versicherungen <strong>der</strong> Philosophie mißtrauen und dür··<br />
fen doch nicht vergessen, daß sie die Aufgabe und allein die<br />
Wege hat, die inneren Möglichkeiten <strong>der</strong> Physik und ihres Gegenstandes<br />
zum Problem zu machen, nur dann freilich, wenn<br />
die Philosophie selbst dabei geführt ist von einer wahrhaften<br />
Lebendigkeit <strong>der</strong> ihr eigensten Problematik.<br />
§ 16. Erster Anlauf zur Charakteristik <strong>der</strong> kantischen<br />
Fassung <strong>der</strong> Kausalität und ihres Grundzusammenhangs:<br />
Kausalität und Zeitfolge<br />
Bevor wir fragen und entscheiden, ob das Kausalgesetz logisch<br />
notwendig ist o<strong>der</strong> nicht, ob diese Art von Fragen nach seiner<br />
Gültigkeit überhaupt einen Sinn habe o<strong>der</strong> nicht, müssen wir<br />
darüber Aufschluß gewinnen, was Kausalität überhaupt besagt.<br />
Für diese Frage muß selbst wie<strong>der</strong>um <strong>der</strong> rechte Boden<br />
<strong>der</strong> Erörterung gewonnen werden, d. h. <strong>der</strong> Grundzusammenhang,<br />
in den so etwas wie Kausalität überhaupt gehört. Wir<br />
gehen hierzu aus von Kant. Das kann immer nur eine Anweisung<br />
verschaffen, über <strong>der</strong>en Rechtmäßigkeit und Ursprünglichkeit<br />
es je<strong>der</strong>zeit neu zu entscheiden gilt.<br />
Kant spricht sich aus über die Kausalität in <strong>der</strong> »Zweiten<br />
Analogie«. Analogien nennt Kant eine bestimmte Gruppe von<br />
Grundsätzen, in denen ausgesprochen ist, was zum »Dasein <strong>der</strong><br />
Erscheinungen«, d. h. zum Vorhandensein des Seienden, »Natur«,<br />
wie es uns zugänglich ist, gehört. Die Naturvorgänge,<br />
d. h. die Verhältnisse des Vorhandenseins <strong>der</strong> Erscheinungen in<br />
einer Zeit, stehen hinsichtlich ihrer Bestimmbarkeit unter bestimmten<br />
Regeln, und zwar unter Regeln, die nicht erst aus zufälligen<br />
o<strong>der</strong> häufigen, meist üblichen Verhältnissen <strong>der</strong> Erscheinungen<br />
gewonnen sind, son<strong>der</strong>n Regeln, die im vorhinein<br />
das bestimmen, was überhaupt zur Möglichkeit eines Naturvorganges<br />
gehört, eines Naturvorganges, wie er für uns über-<br />
§ 16. Erster Anlauf zur Charakteristik 149<br />
haupt erfahrbar ist. Daher lautet <strong>der</strong> »allgemeine Grundsatz«<br />
<strong>der</strong> Analogien <strong>der</strong> Erfahrung nach <strong>der</strong> ersten Auflage 1 : »Alle<br />
Erscheinungen stehen, ihrem Dasein nach, apriori unter Regeln<br />
<strong>der</strong> Bestimmung ihres Verhältnisses untereinan<strong>der</strong> in einer<br />
Zeit.« Eine dieser Regeln gibt uns die zweite Analogie. 2 Kant<br />
gibt diesem Grundsatz in <strong>der</strong> ersten und zweiten Auflage sowohl<br />
verschiedene Benennungen als auch eine verschiedene Fassung.<br />
In A: »Grundsatz <strong>der</strong> Erzeugung «3, in B: »Grundsatz<br />
<strong>der</strong> Zeitfolge nach dem Gesetz <strong>der</strong> Kausalität«.4 Die Fassung<br />
des Grundsatzes in A lautet: »Alles, was geschieht (anhebt zu<br />
sein) setzt etwas voraus, worauf es nach einer Regel folgt«.5<br />
In B: »Alle Verän<strong>der</strong>ungen geschehen nach dem Gesetz <strong>der</strong><br />
Verknüpfung <strong>der</strong> Ursache und Wirkung. «6<br />
Das Gesetz <strong>der</strong> Kausalität ergibt einen Grundsatz <strong>der</strong> Zeitfolge.<br />
Kausalität ist in sich bezogen auf Zeitfolge. Wie kommt<br />
Kausalität, d. h. das Ursachesein, in eine Beziehung zur Zeitfolge?<br />
Und was heißt Zeitfolge? Ursache ist Ursache einer Wirkung.<br />
Das Gewirkte und Erwirkte als solches nennen wir auch<br />
den Erfolg. Der Erfolg ist das, was auf ein vorausgehendes<br />
An<strong>der</strong>es gefolgt ist: die Folge. Wirken besagt, von da aus gesehen:<br />
erfolgen und folgen lassen. Ursache als das Bewirkende<br />
<strong>der</strong> Wirkung ist solches, was erfolgen, auf sich folgen läßt und<br />
somit das Vorhergehende. In <strong>der</strong> Ursache-Wirkungs-Beziehung<br />
liegt demnach Vorhergang und Folge; allgemein, das Aufeinan<strong>der</strong>folgen,<br />
das Nacheinan<strong>der</strong>, die Sukzession, was Kant als<br />
Zeitfolge faßt. So sehen wir den Zusammenhang zwischen<br />
Kausalität und Zeitfolge. Ein Zusammenhang, <strong>der</strong> im vorhinein<br />
klar und fest im Blick behalten werden muß, um zu verstehen,<br />
in welche Richtung Kant die Erhellung des <strong>Wesen</strong>s <strong>der</strong><br />
Kausalität drängt.<br />
1 Kant, Kr. d. r. V., A 177 f.<br />
2 a.a.O., A 189 ff., B 232 ff.<br />
3 a.a.O., A 189.<br />
4 a.a.O., B 232.<br />
5 a.a.O., A 189.<br />
6 a.a.O., B 232.