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Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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232 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />

Um das Gemeinrnachen <strong>der</strong> Unterschiede noch einmal kurz<br />

darzustellen, sei <strong>der</strong> Grundsatz in seiner Funktion als Grundsatz,<br />

d. h. als Obersatz eines Schlusses in <strong>der</strong> Einheit mit diesem<br />

Schluß vorgeführt, im Vernunfts chluß , mit dessen Hilfe<br />

nach Kant die Vernunft zu ihren kosmologischen Ideen kommt,<br />

<strong>der</strong>en eine die <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> ist. Wenn das Bedingte gegeben ist,<br />

so ist auch die ganze Reihe <strong>der</strong> Bedingungen desselben, das Unbedingte,<br />

gegeben. Nun ist das Bedingte gegeben in solchem,<br />

was entsteht und aus einem an<strong>der</strong>en erfolgt. Also ist das Unbedingte<br />

eines solchen Erfolgens gegeben, das schlechthin anfangende<br />

Ursachesein, d. h. <strong>Freiheit</strong>. Die gemeine Vernunft<br />

setzt zunächst die Evidenz des rein ontologischen Begriffsverhältnisses<br />

gleich mit dem ontischen Verhältnis des Gegebenseins<br />

von seiendem Bedingten und seien<strong>der</strong> Bedingung. Das<br />

Seiende ist dabei als Ding an sich genommen, d. h. ohne Rücksicht<br />

auf die Bedingungen seiner möglichen Gegebenheit. Eben<br />

dieses Seiende wird nun im Untersatz des Schlusses als Erscheinung<br />

genommen, ohne freilich in dieser Bedeutung erkannt zu<br />

sein. Was nun schon zu Unrecht von Dingen an sich ausgesagt<br />

ist, wird auf die Erscheinungen, wie<strong>der</strong>um zu Unrecht, übertragen<br />

und daraus ein Schluß gezogen, <strong>der</strong> seine Unrechtmäßigkeit<br />

an <strong>der</strong> Stirn trägt, vorausgesetzt, daß das gemeine Verfahren<br />

<strong>der</strong> Vernunft als solches durchsichtig geworden ist. Die Gemeinheit<br />

<strong>der</strong> Vernunft besteht aber zuletzt darin, daß sie sich<br />

nicht nur immer in dieser ihrer Unterschiedslosigkeit als das<br />

Selbstverständliche behauptet, son<strong>der</strong>n sich dadurch selbst<br />

daran hin<strong>der</strong>t, zu einer Durchsichtigkeit zu kommen. So darf<br />

Kant sagen: Die gemeine Vernunft bewegt sich in einer »ganz<br />

natürliche[n] Täuschung«1 mit diesem ihrem Grundsatz und<br />

dessen Gebrauch bei <strong>der</strong> kosmologischen Ideenbildung, die als<br />

solche zur Entfaltung <strong>der</strong> Antinomien führt. Der Grundsatz<br />

aber liegt sowohl dem Beweis <strong>der</strong> Thesis als <strong>der</strong> Antithesis zugrunde.<br />

Durch die Aufhellung des im Grundsatz liegenden Be-<br />

1 a.a.O., A 500, B 528.<br />

§ 24. Vorbereitende (negative) Bestimmungen 233<br />

trugs werden nun beide Sätze eines »Fehltritts«2 überführt in<br />

<strong>der</strong> Art, wie sie sich als wahr erweisen. Demnach muß <strong>der</strong> Anspruch<br />

bei<strong>der</strong>, wirklich beweisbar und echt bewiesen zu sein,<br />

abgewiesen werden.<br />

b) Die Unterscheidung von Erscheinung und Ding an sich<br />

bzw. endlicher und unendlicher Erkenntnis als Schlüssel<br />

zur Auflösung des Antinomienproblems<br />

Allerdings ist damit noch nicht bewiesen, daß sie in <strong>der</strong> Sache<br />

selbst, in dem, was sie als Sätze im Schlußsatz behaupten,<br />

Unrecht haben. Es kann sehr wohl ein Satz wahr sein, wenngleich<br />

<strong>der</strong> Beweis seiner Wahrheit in sich brüchig und unrechtmäßig<br />

ist. Wenn das letztere nun auch bezüglich Thesis und<br />

Antithesis gezeigt wurde, so dauert doch <strong>der</strong> Streit bei<strong>der</strong> nach<br />

wie vor weiter an, d. h. beide können sich immer wie<strong>der</strong> gegenseitig<br />

»schön wi<strong>der</strong>legen«.3 Demnach kann <strong>der</strong> Streit nur so<br />

beigelegt werden, daß gezeigt wird: beide streiten um nichts.<br />

Ein gewisser Schein malt ihnen eine Wirklichkeit vor, wo im<br />

Grunde nichts anzutreffen ist, so daß <strong>der</strong> Streit in sich nichtig<br />

ist. Es muß gefragt werden, welchen Charakter dann dieser<br />

Wi<strong>der</strong>streit von Thesis und Antithesis hat. '''elche Art von Gegensätzlichkeit<br />

(Opposition) liegt in den Antinomien?<br />

Wir wollen uns, um das zu bestimmen, an die dritte, von uns<br />

bisher immer ausschließlich behandelte Antinomie halten und<br />

sie zu diesem Zwecke auf eine Form bringen, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>streit<br />

handgreiflicher heraustritt. Die Thesis behauptet die<br />

<strong>Freiheit</strong> als unbedingte Kausalität, als ursprünglichen Anfang,<br />

dem nichts vorangeht, rückwärts dessen es kein >und so weiter<<br />

zu neuen Bedingungen gibt. Daher können wir die Thesis auch<br />

so fassen: Die Reihe <strong>der</strong> übereinan<strong>der</strong> geordneten Ursachen ist<br />

an sich ihrer Totalität nach endlich. Jetzt wird schon ersichtlich,<br />

was <strong>der</strong> Gegen-satz sagt: Die Reihe <strong>der</strong> regressiven Syn-<br />

2 a.a.O., A 501, B 529.<br />

3 Ebd.

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