Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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278 Der zweite Weg zur <strong>Freiheit</strong> im kantischen System<br />
objektive Realität <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> lasse sich nur durch praktische<br />
Gesetze <strong>der</strong> reinen Vernunft dartun. 21 Hier ist die Rede von<br />
Gesetzen <strong>der</strong> reinen praktischen Vernunft. Welches sind diese<br />
Gesetze? Wie kommen wir zu diesen Gesetzen? Sie gehören zur<br />
reinen praktischen Vernunft, also zum reinen Willen. Inwiefern<br />
hat dieser überhaupt etwas mit Gesetzen zu tun, und<br />
welches ist das Gesetz des reinen Willens, das Grundgesetz <strong>der</strong><br />
reinen praktischen Vernunft?<br />
c) Die Wirklichkeit <strong>der</strong> reinen praktischen Vernunft<br />
im moralischen Gesetz<br />
Reiner Wille ist jenes Wollen, das zu handeln vermag lediglich<br />
aufgrund des Bestimmtwerdens durch das Vorgestelltsein des<br />
<strong>Wesen</strong>s des Willens als solchen. Reiner Wille ist: Wollen das<br />
eigene Willenswesen. Das Bestimmende für den reinen Willen,<br />
das Ursachesein für ihn selbst, liegt in seinem eigenen <strong>Wesen</strong>,<br />
sofern dieses als bestimmend vorgestellt, d. h. rein gewollt<br />
wird. Das Ursachesein, die Kausalität von etwas, ist ihrem<br />
<strong>Wesen</strong> nach aber immer die Regel, das Gesetz des Daseins, <strong>der</strong><br />
Existenz von etwas. Das heißt in Kants eigenen Worten, daß<br />
»<strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Kausalität je<strong>der</strong>zeit die Beziehung auf ein<br />
Gesetz enthält, welches die Existenz des Mannigfaltigen im<br />
Verhältnisse zu einan<strong>der</strong> bestimmt«.22 Das Gesetz des reinen<br />
Willens ist nicht dieses o<strong>der</strong> jenes bestimmte Vorstellbare, Erwirkbare,<br />
son<strong>der</strong>n das bestimmte Gesetz für die Existenz des<br />
Willens, d. h. <strong>der</strong> Wille ist das Wollen selbst. Der reine Wille<br />
aber, das <strong>Wesen</strong> des Willens als bestimmend vorstellend das<br />
reine Wollen, ist die Weise <strong>der</strong> Gesetzgebung. Alles Bestimmende<br />
enthält nichts an<strong>der</strong>es als die Weise und Fonn, wie das<br />
Wollen an und für sich rein will. Diese Weise als reine, die<br />
Fonn des Wie, ist die Weise <strong>der</strong> Gesetzgebung für das Wollen.<br />
Wenn sie allein das Bestimmende ist, dann ist das Gesetz des<br />
21 Vgl. Kant, Kr. d. u., § 91, S. 358 (V, 457). Vgl. oben S. 271.<br />
22 Kant, Kr. d. pr. V., S. 104 (V, 160).<br />
§ 27. Die Wirklichkeit <strong>der</strong> <strong>menschlichen</strong> <strong>Freiheit</strong> 279<br />
reinen Willens nichts an<strong>der</strong>es als die Form <strong>der</strong> Gesetzgebung<br />
für einen reinen 'Willen.<br />
So ergibt sich: Das Grundgesetz des reinen Willens, <strong>der</strong> reinen<br />
praktischen Vernunft, ist nichts an<strong>der</strong>es als die Form <strong>der</strong><br />
Gesetzgebung. Das ist <strong>der</strong> Sinn des Satzes, das Grundgesetz <strong>der</strong><br />
Sittlichkeit ist ein fonnales Gesetz. Fonnal ist <strong>der</strong> Gegenbegriff<br />
zu material. Versteht man diese Ausdrücke im vulgären Sinne,<br />
d. h. kennt man nicht ihre eigentliche metaphysische Bedeutung,<br />
dann heißt formal so viel wie >formelhaftFonnalenBestimmende< (fonna<br />
. '<br />
nöos).<br />
Das eigentlich Gesetzgebende für das Wollen ist das wirkliche<br />
reine Wollen selbst und sonst nichts. Eine noch so reich<br />
geglie<strong>der</strong>te und umfangreiche materiale Werttafel bleibt ein<br />
pures Phantom, ohne jede verpflichtende Gesetzlichkeit, wenn<br />
nicht das reine Wollen als das eigentliche Wirkliche alles sittlichen<br />
HandeIns wirklich sich selbst will. Dieses, sich selbst zu