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Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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64 Die Leitfrage <strong>der</strong> Philosophie und ihre Fraglichkeit<br />

sein, dann sind sie selbst doch nicht schön. O<strong>der</strong> ist das Schönsein<br />

<strong>der</strong> vielen Dinge einerlei mit diesem, wie soll es dann viele<br />

Dinge geben? Die Antwort des Sokrates, d. h. <strong>der</strong> Hinweis Platons<br />

auf das Problem und seine Lösung, behauptet ein Zweifaches:<br />

1. Die schönen Dinge sind etwas an<strong>der</strong>es als die Schönheit.<br />

2. Gleichwohl, diese, die Schönheit, ist bei jedem von ihnen<br />

anwesend. Diese Anwesenheit macht das Schönsein <strong>der</strong> einzelnen<br />

Dinge aus. Ist damit das Problem gelöst?, Keineswegs. Es ist nur<br />

gestellt und ausdrücklich gemacht, indem eigens vom >Sein< des<br />

schön Seienden gesprochen wird, und zwar im Sinne des Seinsverständnisses,<br />

wonach Sein Anwesenheit besagt. Trotz allem:<br />

Diese >Anwesenheit< ist gänzlich dunkel und mißverständlich und<br />

dementsprechend die Antwort des Sokrates für die Teilnehmer<br />

am Gespräch gar nicht verständlich und stichhaltig. Das zeigt die<br />

Art und Weise, wie nun Dionysodoros auf die Antwort des Sokrates<br />

entgegnet. Wenn das Schönsein eines schönen Dinges in<br />

<strong>der</strong> Anwesenheit <strong>der</strong> Schönheit liegen soll, dann ergibt sich folgendes:<br />

wenn n:UQuYEvEtm aOL •.•, »wenn neben dich zu stehen<br />

kommt, ganz bei dir anwesend ist - ein Ochse, bist du dann ein<br />

Ochse? Und bist du, Sokrates, etwa <strong>der</strong> Dionysodoros, weil ich,<br />

Dionysodoros, jetzt neben dir stehe (n:aQEL~L)?« Die These des<br />

Sokrates, das Schönsein, allgemein das So- und Wassein eines<br />

einzelnen Seienden, bestehe in einer Anwesenheit, führt zu offenbarem<br />

Unsinn. Platon will damit zeigen, daß es gar nicht so<br />

selbstverständlich ist mit dieser 1tUQOucrLU, <strong>der</strong> Seiendheit eines<br />

Seienden, eines seienden Dinges. Und wenn es nicht selbstverständlich<br />

ist, dann muß das Problem gestellt und durchgeführt<br />

werden.<br />

Wir entnehmen zugleich aus dieser und vielen an<strong>der</strong>en Stellen,<br />

daß auch da und gerade da, wo von dem puren Sosein und<br />

Wassein <strong>der</strong> Dinge die Rede ist, nicht etwa von ihrem Entstehen<br />

und Vergehen, vom Auftauchen und Verschwinden, von dem betonten<br />

Wort n:UQOucrLU Gebrauch gemacht wird. n:uQouaLu ist nicht<br />

notwendig auf cmouaLU als Gegenbegriff orientiert o<strong>der</strong> nur in<br />

solchen Zusammenhängen gebraucht. Im Gegenteil, n:uQouaLu<br />

§ 8. Aufweis <strong>der</strong> verborgenen Grundbedeutung 65<br />

steht einfach für ouaLU und ist eine deutlichere Ausprägung <strong>der</strong><br />

Bedeutung von ouaLu. Das zeigt sich eben darin, daß gerade da,<br />

wo die ouaLU des GV, z. B. das Schönsein <strong>der</strong> schön seienden Dinge<br />

Problem wird, ganz wie von selbst die Rede auf die n:uQouaLu<br />

kommt.<br />

Es wäre aber leichtfertig und oberflächlich, wollte man unsere<br />

These: ouaLu, Sein, bedeutet soviel wie beständige Anwesenheit,<br />

einfach als den Schlüssel nehmen, <strong>der</strong> ohne weiteres alle Türen<br />

öffnete - als genügte es gleichsam, überall da, wo Ausdrücke<br />

und Termini auftreten, die das Sein betreffen, einfach die Bedeutung<br />

>ständige Anwesenheit< einzusetzen.<br />

c) Sein und Substanz.<br />

Die Fortentwicklung des Seinsproblems in <strong>der</strong> Gestalt des<br />

Substanzproblems.<br />

Substanzialität und beständige Anwesenheit<br />

Trotzdem, ein entscheiden<strong>der</strong> Richtpunkt ist für die noch durchzuführende<br />

Interpretation <strong>der</strong> antiken Philosophie gewonnen,<br />

und nicht nur dafür, son<strong>der</strong>n für den Entwicklungsgang <strong>der</strong> ganzen<br />

abendländischen Metaphysik bis zu Hegel, d. h. für die philosophische<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit ihr. Allerdings wird nun die<br />

traditionelle Auffassung und Fortbildung des Seinsproblems seit<br />

<strong>der</strong> Antike dadurch beherrscht, daß ouaLU als Substanz, besser<br />

als Substanzialität begriffen wird: Substanz ist das eigentlich<br />

Seiende an einem Seienden. Daß es dazu kam, daß das Seinsproblem<br />

die Gestalt des Substanzproblems annahm und so alle<br />

weiteren Fragen in dieser Richtung hervorlockte, das ist kein<br />

Zufall. Bei Platon und Aristoteles selbst liegen die Anstöße<br />

dazu. Das kann jetzt nicht gezeigt werden. Dagegen sei ein Hinweis<br />

darauf nicht verschwiegen, in welcher Richtung das erstarrte<br />

Substanzproblem aufzulockern ist.<br />

Substantia: id quod substat, was darunter steht: lJ1toatacrtc;.<br />

Dieses un:o ist uns bereits begegnet bei <strong>der</strong> aristotelischen Interpretation<br />

<strong>der</strong> Bewegung: Als erstes Strukturmoment zeigte sich

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