Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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134 Die Ausarbeitung <strong>der</strong> Leitfrage <strong>der</strong> Metaphysik<br />
das Fragen und Suchen nach dem <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> <strong>menschlichen</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
kann sich fürs erste nur mitteilen in <strong>der</strong> Form einer Aussage<br />
und These. Welche ist es?<br />
Wenn wir eine Blickrichtung festlegen wollen, müssen wir<br />
überhaupt die Mannigfaltigkeit und Weite eines Horizontes<br />
haben. Bezüglich <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> haben wir <strong>der</strong>gleichen in etwa<br />
gewonnen durch die ganze bisherige Erörterung. Es zeigt sich<br />
jetzt erst, daß diese keineswegs nur zufällig so angelegt wurde.<br />
Erinnern wir uns an das Schema <strong>der</strong> Perspektive des <strong>Freiheit</strong>sproblems<br />
in seinem vorläufigen Ansatz. Wenn wir dieses gegenwärtig<br />
halten, können wir jetzt die für die folgenden Betrachtungen<br />
grundlegende <strong>Wesen</strong>sblickrichtung eindeutig festlegen,<br />
indem wir sagen: Das <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> kommt erst<br />
dann eigentlich in den Blick, wenn wir sie als Grund <strong>der</strong> Möglichkeit<br />
des Daseins suchen, als dasjenige, was noch vor Sein<br />
und Zeit liegt. Auf das Schema hin gesehen müssen wir eine<br />
vollkommene Umstellung des Ortes <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> vollziehen, so<br />
daß sich jetzt ergibt: Das <strong>Freiheit</strong>sproblem ist nicht in die Leitfrage<br />
und Grundfrage <strong>der</strong> Philosophie eingebaut, son<strong>der</strong>n umgekehrt:<br />
die Leitfrage <strong>der</strong> Metaphysik gründet auf <strong>der</strong> Frage<br />
nach dem <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>.<br />
Wenn aber <strong>der</strong> <strong>Wesen</strong>sblick diese Richtung nehmen muß,<br />
wenn das Grundproblem <strong>der</strong> Philosophie von dorther überhaupt<br />
gesehen werden muß, dann ist es jetzt gleichgültig, ob die<br />
kantische Interpretation <strong>der</strong> Fassung <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Kausalität zu Recht besteht. Auch wenn das nicht <strong>der</strong> Fall<br />
sein sollte, dann liegt nach <strong>der</strong> neuen These <strong>der</strong> Kausalität, Bewegung,<br />
Sein überhaupt, die <strong>Freiheit</strong> zugrunde. <strong>Freiheit</strong> ist<br />
nichts Beson<strong>der</strong>es unter an<strong>der</strong>em, nicht aufgereiht neben an<strong>der</strong>en,<br />
son<strong>der</strong>n vorgeordnet und durchherrschend gerade das<br />
Ganze im Ganzen. Wenn wir aber die <strong>Freiheit</strong> als Grund <strong>der</strong><br />
Möglichkeit des Daseins zu suchen haben, dann ist sie selbst<br />
in ihrem <strong>Wesen</strong> ursprünglicher als <strong>der</strong> Mensch. Der Mensch ist<br />
nur ein Verwalter von <strong>Freiheit</strong>, nur einer, <strong>der</strong> die <strong>Freiheit</strong> von<br />
Freien in <strong>der</strong> ihm zugefallenen Weise <strong>Freiheit</strong> sein lassen kann,<br />
§ 14. Die Umstellung <strong>der</strong> Frageperspektive 135<br />
so daß, durch den Menschen hindurch, die ganze Zufälligkeit<br />
<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> sichtbar wird.<br />
Menschliche <strong>Freiheit</strong> heißt jetzt nicht mehr: <strong>Freiheit</strong> als Eigenschaft<br />
des Menschen, son<strong>der</strong>n umgekehrt: <strong>der</strong> Mensch als<br />
eine Möglichkeit <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>. Menschliche <strong>Freiheit</strong> ist die <strong>Freiheit</strong>,<br />
sofern sie im Menschen durchbricht und ihn auf sich<br />
nimmt, ihn dadurch ermöglicht. Wenn die <strong>Freiheit</strong> Grund <strong>der</strong><br />
Möglichkeit des Daseins ist, die Wurzel von Sein und Zeit und<br />
damit <strong>der</strong> Grund <strong>der</strong> Ermöglichung des Seinsverständnisses in<br />
seiner ganzen Weite und Fülle, dann ist <strong>der</strong> Mensch, gründend<br />
in seiner Existenz auf und in dieser <strong>Freiheit</strong>, diejenige Stätte<br />
und Gelegenheit, an <strong>der</strong> und mit <strong>der</strong> das Seiende im Ganzen<br />
offenbar wird, und dasjenige Seiende, durch das sich das Seiende<br />
im Ganzen als solches hindurchspricht und so ausspricht. Im<br />
Beginn <strong>der</strong> Vorlesung, als wir an das im Thema Genannte herantraten<br />
wie an ein unter an<strong>der</strong>em vorhandenes Ding, da sahen<br />
wir den Menschen als ein Seiendes unter an<strong>der</strong>em, winzig, gebrechlich,<br />
ohnmächtig, flüchtig, eine kleine Ecke im All des Seienden.<br />
Jetzt aus dem Grunde seines <strong>Wesen</strong>s, <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>, gesehen,<br />
wird uns das Ungeheure und Wun<strong>der</strong>bare deutlich, daß<br />
er als das Seiende existiert, in dem das Sein des Seienden und<br />
damit dieses im Ganzen offenbar ist. Er ist dasjenige Seiende,<br />
in dessen eigenstem Sein und <strong>Wesen</strong>sgrund das Seinsverständnis<br />
geschieht. Der Mensch ist so ungeheuerlich, wie ein Gott nie<br />
sein kann, weil er ganz an<strong>der</strong>s sein müßte. Dieses Ungeheuerliche,<br />
das wir da wirklich kennen und sind, kann solches nur<br />
sein als das Endlichste, aber in dieser Endlichkeit die existente<br />
Zusammenkunft des Wi<strong>der</strong>streitenden innerhalb des Seienden<br />
und deshalb die Gelegenheit und Möglichkeit des Auseinan<strong>der</strong>brechens<br />
und Aufbrechens des Seienden in seiner Viel- und<br />
An<strong>der</strong>sartigkeit. Hier liegt zugleich das Kernproblem <strong>der</strong><br />
Möglichkeit <strong>der</strong> Wahrheit als Entborg·enheit.<br />
Wenn wir den Menschen so sehen - und wir müssen ihn so<br />
sehen, sofern wir durch den Grundgehalt <strong>der</strong> Leitfrage <strong>der</strong><br />
Philosophie auf ihn gedrängt werden -, wenn wir den Men-