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Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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164 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />

Die erste Analogie heißt »Grundsatz <strong>der</strong> Beharrlichkeit«,<br />

d. h. Satz von <strong>der</strong> im <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> Erfahrung gründenden Notwendigkeit<br />

»des immerwährenden Daseins des eigentlichen<br />

Subjekts an den Erscheinungen «.2<br />

Wir halten uns mit Absicht zunächst an die Bearbeitung <strong>der</strong><br />

ersten Auflage (A). Für Kant handelt es sich nicht nur um die<br />

ausdrückliche Aufstellung dieses Grundsatzes, son<strong>der</strong>n ebenso<br />

um den rechten Beweis desselben. Zwar findet Kant, daß »zu<br />

allen Zeiten nicht bloß <strong>der</strong> Philosoph, son<strong>der</strong>n selbst <strong>der</strong> gemeine<br />

Verstand diese Beharrlichkeit, als ein Substratum alles<br />

Wechsels <strong>der</strong> Erscheinungen, vorausgesetzt haben«.3 Nur daß<br />

<strong>der</strong> Philosoph sich etwas bestimmter ausdrückt und sagt: »bei<br />

allen Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Welt bleibt die Substanz, und nur<br />

die Akzidenzien wechseln.«4 »Ich treffe aber von diesem so<br />

synthetischen Satze nirgends auch nur den Versuch von einem<br />

Beweise an, ja er steht auch nur selten, wie es ihm doch gebührt,<br />

an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> reinen und völlig apriori bestehenden<br />

Gesetze <strong>der</strong> Natur.«5 Man legt zwar diesen Grundsatz bei<br />

aller Erfahrung zugrunde, »weil man dessen Bedürfnis bei <strong>der</strong><br />

empirischen Erkenntnis fühlt«.6 Man findet sich mit diesem<br />

Faktum ab, ohne auch nur auf ein Verstehen zu dringen, d. h.<br />

auf eine Erhellung <strong>der</strong> inneren Möglichkeit und Notwendigkeit<br />

dieses Grundsatzes und seiner wesenhaften Zugehörigkeit zur<br />

Erfahrung.<br />

Die erste Analogie soll bewiesen werden. Was gilt es bei <strong>der</strong><br />

ersten Analogie zu beweisen? Erstens, »daß in allen Erscheinungen<br />

etwas Beharrliches sei, an welchem das Wandelbare<br />

nichts als Bestimmung seines Daseins ist«.7 Zweitens, daß dieses<br />

Beharrliche <strong>der</strong> Gegenstand selbst sei, d. h. das eigentliche Seiende<br />

an <strong>der</strong> Erscheinung. Wohl ist zu beachten, daß in allen<br />

2 a.a.O., A 185, B 228.<br />

3 a.a.O., A 184, B 227.<br />

4 Ebd.<br />

5 Ebd.<br />

6 a.a.O., A 185, B 228.<br />

7 a.a.O., A 184, B 227.<br />

§ 18. Erläuterung <strong>der</strong> Beweisart <strong>der</strong> Analogien 165<br />

Erscheinungen etwas Beharrliches ist, nicht nur in dieser o<strong>der</strong><br />

jener. Nicht das Faktum von diesem o<strong>der</strong> jenem Beharrlichen,<br />

son<strong>der</strong>n seine wesensmäßige Zugehörigkeit zu dem, was in <strong>der</strong><br />

Erfahrung erfahren wird, soll bewiesen werden. Der Beweis<br />

kann nur geführt werden durch Aufweisung dessen, was wesensnotwendig<br />

zur Möglichkeit (<strong>Wesen</strong>) <strong>der</strong> Erfahrung überhaupt<br />

gehört.<br />

Wie läuft <strong>der</strong> Beweis? Erinnern wir an das Doppelte, was<br />

zur Erfahrung gehört: 1. Das lediglich zusammengestellte<br />

Mannigfaltige des Wahrnehmens, das <strong>der</strong> Verknüpfung bedürftig<br />

ist. 2. Die Verknüpfung, die keine beliebige sein kann,<br />

son<strong>der</strong>n verbindlich, notwendig sein muß, entsprechend <strong>der</strong><br />

Verbindlichkeit, die vom Seienden selbst und seinem so und so<br />

Vorhandensein ausgeht. Die erste und so jede Analogie formuliert<br />

eine <strong>der</strong> notwendig vorzustellenden Weisen <strong>der</strong> Verknüpftheit<br />

und d. h. zugleich Einheit, in <strong>der</strong> alles Erfahrbare<br />

stehen muß. In <strong>der</strong> ersten Analogie insbeson<strong>der</strong>e und vor allem<br />

gilt es, die Notwendigkeit <strong>der</strong> Beharrlichkeit im Beharrlichen zu<br />

beweisen, auf <strong>der</strong>en Grunde überhaupt aller Wechsel und Wandel<br />

und damit die ganze Mannigfaltigkeit <strong>der</strong> Verhältnisse des<br />

Vorhandenen möglich ist. Der Beweis dieser Notwendigkeit<br />

<strong>der</strong> Beharrlichkeit muß also ansetzen bei dem zur Erfahrung<br />

gleichfalls gehörigen lediglich zusammengestellten Mannigfaltigen<br />

<strong>der</strong> Apprehension. Die Beweise aller drei Analogien setzen<br />

immer hier, beim primären Nacheinan<strong>der</strong> <strong>der</strong> Apprehension<br />

ein.<br />

Wie steht es, wenn wir uns einzig an die Abfolge <strong>der</strong> Wahrnehmungen<br />

halten? Dann haben wir lediglich einen ständigen<br />

Wechsel. Aus diesem allein können wir aber niemals entnehmen,<br />

ob das durch die Wahrnehmungen hindurch in <strong>der</strong> Erfahrung<br />

vereinte Gegenständliche selbst sich folge o<strong>der</strong> zugleich<br />

sei. Eine solche Entscheidung über Sukzession und Simultaneität,<br />

d. h. Zeitverhältnisse, ist überhaupt nur möglich, wenn in<br />

<strong>der</strong> Erfahrung im vorhinein etwas Bleibendes und Beharrliches<br />

zugrunde liegt, mit Bezug auf welches die genannten Verhält-

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