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Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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296 Der zweite Weg zur <strong>Freiheit</strong> im kantischen System<br />

geführt. Das zu begreifen ist das <strong>Wesen</strong>tlichste für das wirkliche<br />

Verständnis des ganzen Problems <strong>der</strong> praktischen <strong>Freiheit</strong><br />

und ihrer objektiven Realität.<br />

Ich sagte früher, <strong>der</strong> Beweis <strong>der</strong> Tatsächlichkeit <strong>der</strong> praktischen<br />

<strong>Freiheit</strong> sei kurz, nämlich so kurz, daß, wenn die Aufgabe<br />

dieses Beweises begriffen ist, <strong>der</strong> Beweis gar nicht geführt<br />

wird, sofern darunter die theoretische Aufweisung einer vorhandenen<br />

<strong>Freiheit</strong> aus dem zUVOr erwiesenen Vorhandensein<br />

des praktischen Gesetzes verstanden ist. Der Beweis <strong>der</strong> praktischen<br />

Realität <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> besteht allein darin und kann nur<br />

darin bestehen, zu verstehen, daß diese <strong>Freiheit</strong> nur ist als<br />

wirkliches Wollen des rein Gesollten. Denn dieses, daß das<br />

Wollen im wirklichen Wollen allein sein eigenes <strong>Wesen</strong>, den<br />

reinen Willen, für sich selbst Bestimmungsgrund, Gesetz, sein<br />

läßt, das ist nichts an<strong>der</strong>es als das Wirklichwerden und Wirklichsein<br />

<strong>der</strong> praktischen <strong>Freiheit</strong>. 5 Aus dem Charakter <strong>der</strong><br />

Tatsächlichkeit <strong>der</strong> Tatsache <strong>der</strong> praktischen <strong>Freiheit</strong> entnehmen<br />

wir jetzt auch das <strong>Wesen</strong> dieser <strong>Freiheit</strong>: Praktische <strong>Freiheit</strong><br />

ist sich selbst Gesetzgebung, reiner Wille, Autonomie. Sie<br />

enthüllt sich jetzt als Bedingung <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Tatsächlichkeit<br />

einer reinen praktischen Vernunft. Praktische <strong>Freiheit</strong><br />

als Autonomie ist Selbstverantwortlichkeit, diese das <strong>Wesen</strong><br />

<strong>der</strong> Persönlichkeit <strong>der</strong> <strong>menschlichen</strong> Person, das eigentliche <strong>Wesen</strong>,<br />

die Menschheit des Menschen.<br />

So ergibt sich: reiner Wille - reine praktische Vernunft -<br />

Gesetzlichkeit des Grundgesetzes des faktischen Handelns -<br />

Selbstverantwortlichkeit - Persönlichkeit - <strong>Freiheit</strong>. Das ist<br />

alles dasselbe, dasselbe nicht in einer unbestimmt verfließenden<br />

Einerleiheit, son<strong>der</strong>n dasselbe als in sich notwendig zusammengehörig.<br />

Dadurch ergeben sich zwischen <strong>der</strong> reinen praktischen<br />

Vernunft und <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> eigene Bedingungsverhältnisse.<br />

Die praktische Vernunft und ihr Gesetz ist »die Bedingung ...,<br />

unter <strong>der</strong> wir uns allererst <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> [als Autonomie] be-<br />

5 Grundsätzlich metaphysisch wichtig: die Tatsächlichkeit vor <strong>der</strong> Möglichkeit.<br />

Vgl. Aristoteles, Metaphysik 8. Vgl. oben S. 107 f.<br />

§ 28. Das Bewußtsein <strong>der</strong> <strong>menschlichen</strong> <strong>Freiheit</strong> 297<br />

wußt werden können «6, d. h. das Gesetz ist <strong>der</strong> Grund <strong>der</strong><br />

Möglichkeit <strong>der</strong> Erkenntnis <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> (ratio cognoscendi).<br />

Umgekehrt ist die <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> Grund <strong>der</strong> Möglichkeit des Seins<br />

des Gesetzes und <strong>der</strong> praktischen Vernunft, die ratio essendi<br />

des moralischen Gesetzes. »Denn, wäre nicht das moralische Gesetz<br />

in unserer Vernunft eher deutlich gedacht, so würden wir<br />

uns niemals berechtigt halten, so etwas, als <strong>Freiheit</strong> ist (ob diese<br />

gleich sich nicht wi<strong>der</strong>spricht), anzunehmen. Wäre aber keine<br />

<strong>Freiheit</strong>, so würde das moralische Gesetz in uns gar nicht anzutreffen<br />

sein.«7 »<strong>Freiheit</strong> und unbedingtes praktisches Gesetz<br />

weisen also wechselweise auf einan<strong>der</strong> zurück. Ich frage hier<br />

nun nicht: ob sie auch in <strong>der</strong> Tat verschieden seien, und nicht<br />

vielmehr ein unbedingtes Gesetz bloß das Selbstbewußtsein<br />

einer reinen praktischen Vernunft, diese aber ganz einerlei mit<br />

dem positiven Begriff <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> sei«.8 Kant fragt dem nicht<br />

nach an dieser Stelle, aber die ganze Analytik <strong>der</strong> praktischen<br />

Vernunft hat eben diese Aufgabe zu zeigen, »daß dieses Faktum<br />

[<strong>der</strong> reinen praktischen Vernunft] mit dem Bewußtsein<br />

<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> des Willens unzertrennlich verbunden, ja mit ihm<br />

einerlei sei «. 9<br />

6 Kant, Kr. d. pr. V., S. 4 (V, 5) Anm.<br />

7 Ebd.<br />

8 a.a.O., S. 34 (V, 52).<br />

9 a.a 0., S. 50 (V, 72).

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