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Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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262 Der zweite Weg zur <strong>Freiheit</strong> lm kantischen System<br />

sonsein, ausmacht. Das <strong>Wesen</strong> aber ist nur einzig eines und<br />

kann daher nur im Singular bezeichnet werden. So meint entsprechend<br />

Tierheit das Spezifische des Tieres, Menschheit das<br />

Spezifische des Menschen, nicht etwa die Summe aller Menschen.<br />

Was macht nun die Persönlichkeit einer Person aus? Wir verstehen<br />

das, wenn wir die Persönlichkeit im Unterschied zur<br />

Menschheit und Tierheit des Menschen betrachten. 1 Alles<br />

darin nämlich macht das Ganze <strong>der</strong> Elemente <strong>der</strong> Bestimmung<br />

des vollen <strong>Wesen</strong>s des Menschen aus. Zwar kennt die überlieferte<br />

Definition des Menschen nur zwei Elemente <strong>der</strong> Bestimmung:<br />

homo animal rationale, <strong>der</strong> Mensch ist ein vernunftbegabtes<br />

Tier. Demnach ist es die Tierheit, die den Menschen als<br />

lebendes <strong>Wesen</strong> kennzeichnet. Die Vernunft ist das zweite Moment,<br />

was nun freilich nicht den Gehalt dessen ausmacht, was<br />

Kant die Menschheit nennt, son<strong>der</strong>n Menschheit ist das, was<br />

den Menschen als ein lebendiges und zugleich vernünftiges <strong>Wesen</strong><br />

kennzeichnet. Im Begriff <strong>der</strong> Menschheit liegt <strong>der</strong> Bezug<br />

zur Tierheit mit. Was Kant unter Menschheit begreift, ist in<br />

gewisser Weise <strong>der</strong> Gehalt <strong>der</strong> überlieferten Definition. Aber<br />

das <strong>Wesen</strong> des Menschen ist nicht erschöpft in seiner Menschheit,<br />

son<strong>der</strong>n es vollendet sich erst und bpstimmt sich eigentlich<br />

in <strong>der</strong> Persönlichkeit. Sie macht den Menschen zu einem vernünftigen<br />

und zugleich <strong>der</strong> Zurechnung fähigen <strong>Wesen</strong>. Ein<br />

<strong>Wesen</strong>, dem etwas zugerechnet werden kann, muß in sich für<br />

sich selbst verantwortlich sein können. Das <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> Person.<br />

die Persönlichkeit, besteht in <strong>der</strong> Selbstverantwortlichkeit.<br />

Kant betont ausdrücklich, daß die Bestimmung des Menschen<br />

als eines vernünftigen Lebewesens nicht zureiche, weil vernünftig<br />

auch ein <strong>Wesen</strong> sein kann, dem die Möglichkeit abgeht,<br />

für sich selbst praktisch zu sein, um seiner selbst willen zu handeIn.<br />

Die Vernunft könnte eine bloß theoretische sein, so daß<br />

<strong>der</strong> Mensch zwar mit Hilfe <strong>der</strong> Vernunft in seinem Tun über-<br />

1 Vgl. Kant, Religion innerhalb <strong>der</strong> Grenzen <strong>der</strong> bloßen Vernunft.<br />

"VW (Cassirer), VI, 164. I. Stuck, H. Abschn.<br />

§ 26. Das <strong>Wesen</strong> des Menschen 263<br />

legte, die Antriebe seines Handelns aber doch alle aus seiner<br />

Sinnlichkeit, seiner Tierheit, hernähme. Das <strong>Wesen</strong> des Menschen,<br />

wenn es nicht in <strong>der</strong> Menschheit aufgeht, besteht dann<br />

gerade darin, über sich selbst hinauszugehen, als Person, in <strong>der</strong><br />

Persönlichkeit. So bestimmt denn auch Kant die >Persönlichkeit<<br />

als das, »was den Menschen über sich selbst (als einen Teil<br />

<strong>der</strong> Sinnenwelt) erhebt «.2 Das <strong>Wesen</strong> des Menschen, die<br />

Menschheit, besteht demnach nicht in seiner Menschheit, sofern<br />

darunter die Einheit von Vernunft und Sinnlichkeit verstanden<br />

wird, son<strong>der</strong>n es liegt über diese hinaus in <strong>der</strong> Persönlichkeit.<br />

Das eigentliche Menschsein, das <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> Menschheit<br />

selbst, liegt in <strong>der</strong> Person. So gebraucht Kant auch den Ausdruck<br />

Menschheit formal als Terminus für das ganze, eigentliche<br />

<strong>Wesen</strong> des Menschen und spricht von <strong>der</strong> »Menschheit in<br />

seiner Person«.3<br />

Nehmen wir den Menschen nicht als Sinnen- und Weltwesen,<br />

nicht kosmologisch, son<strong>der</strong>n verstehen wir ihn aus dem, was ihn<br />

auszeichnet, aus seiner Persönlichkeit, dann haben wir ihn im<br />

Blick als selbstverantwortliches <strong>Wesen</strong>. Selbstverantwortlichkeit<br />

ist dabei die Grundart des Seins, die alles Tun und Lassen<br />

des Menschen bestimmt, das spezifisch ausgezeichnete menschliche<br />

Handeln, die sittliche Praxis. Inwiefern und in welcher<br />

Weise stoßen wir auf die <strong>Freiheit</strong>, wenn wir den Menschen<br />

nach seiner Persönlichkeit, seinem Personsein nehmen?<br />

b) Die zwei Wege zur <strong>Freiheit</strong> und <strong>der</strong> Unterschied<br />

von transzendentaler und praktischer <strong>Freiheit</strong>.<br />

Möglichkeit und Wirklichkeit <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />

Es gilt nun auch für die Erörterung des zweiten Weges mit unvermin<strong>der</strong>ter<br />

Schärfe das, was für den ersten und sein Verständnis<br />

gefor<strong>der</strong>t wurde: zu achten auf die Art <strong>der</strong> Problema-<br />

2 Kant, Kr. d. pr. V., S. 101 (V, 154).<br />

3 a.a.O., S. 102 (V, 155 u. 157).

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