Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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30 Erstes Durchbrechen des <strong>Freiheit</strong>sproblems<br />
in <strong>der</strong> Orientierung an Karrt gewonnene Perspektive fest, dann<br />
besagt das: Nach dem <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> <strong>menschlichen</strong> <strong>Freiheit</strong> fragen,<br />
also nach ihrem Was, nach <strong>der</strong> inneren Möglichkeit und dem<br />
Grunde <strong>der</strong>selben, - so nach dem <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> fragen,<br />
heißt: das <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> Kausalität, des Ursacheseins, zum Problem<br />
machen. Wohin bewegen wir uns fragend, wenn wir so das <strong>Wesen</strong><br />
des Ursacheseins aufhellen wollen? Erst mit <strong>der</strong> Antwort auf<br />
diese Frage ist die Weite des <strong>Freiheit</strong>sproblems ausgemessen.<br />
Ursachesein besagt unter an<strong>der</strong>em: Folgenlassen, Anfangen;<br />
es gehört in den Zusammenhang dessen, was vor sich geht; es ist<br />
ein Charakter <strong>der</strong> Vorgänge, Begebenheiten, Geschehnisse. Dergleichen<br />
Charaktere zeigen durchgängig das, was wir Bewegung<br />
im weiteren Sinne nennen. Mit Rücksicht auf diese Mannigfaltigkeit<br />
von Bewegungen ergibt sich: Bewegung und Bewegung<br />
ist nicht dasselbe. Was etwa von <strong>der</strong> sogenannten mechanischen<br />
Bewegung gilt, dem bloßen Geschiebe von Massenteilchen, ferner<br />
vom bloßen Ablaufen und Abrollen eines Vorganges, das gilt<br />
nicht ohne weiteres von <strong>der</strong> Bewegung etwa im Sinne des Wachstums<br />
und <strong>der</strong> Verkümmerung. Entsprechend verschieden ist das<br />
Ursachesein, Folgenlassen, Anfangen und Enden. Wie<strong>der</strong> verschieden<br />
von Vorgang und Wachstum ist, was wir das Benehmen<br />
von Tieren, das Sichverhalten von Menschen nennen. Diese wie<strong>der</strong><br />
können gesehen werden innerhalb von Begebenheiten - den<br />
Bewegungen - des Handelns und des Verkehrs. Eine Reise zum<br />
Beispiel ist keine bloße, ja überhaupt keine mechanische Fortbewegung<br />
mit einer Maschine (Eisenbahn, Schiff, Flugzeug), sie<br />
ist auch keine mechanische Bewegung plus ein Verhalten von<br />
Menschen, son<strong>der</strong>n sie ist ein eigenes Geschehen, über dessen<br />
<strong>Wesen</strong>s charakter wir ebensowenig wissen wie über das <strong>Wesen</strong><br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en genannten Arten von Bewegung.<br />
Wir wissen von all dem wenig o<strong>der</strong> nichts, aber keineswegs<br />
deshalb, weil <strong>der</strong>gleichen uns unzugänglich wäre, son<strong>der</strong>n weil<br />
wir zu oberflächlich, d. h. nicht wurzelhaft existieren, um darnach<br />
zu fragen und diese Fragen als brennende zu spüren. So ist<br />
es denn in <strong>der</strong> Philosophie bezüglich <strong>der</strong> Aufhellung des <strong>Wesen</strong>s<br />
§ 4. Gründungscharakter 31<br />
<strong>der</strong> Bewegung überaus kümmerlich bestellt. Seit Aristoteles, <strong>der</strong><br />
als erster und bisher letzter das philosophische Problem begriff,<br />
ist die Philosophie um keinen Schritt in diesem Problem vorwärts<br />
gekommen. Im Gegenteil, sie ist rückwärts gegangen, sofern<br />
sie das Problem überhaupt nicht einmal als Problem begriff.<br />
Auch Kant versagt hier völlig. Das ist um so merkwürdiger, als<br />
für ihn das Problem <strong>der</strong> Kausalität zentral war. Es ist leicht zu<br />
sehen, daß das Problem des <strong>Wesen</strong>s <strong>der</strong> Bewegung Voraussetzung<br />
dafür ist, um überhaupt das Problem <strong>der</strong> Kausalität, des<br />
Ursacheseins, zu stellen, geschweige denn zu lösen.<br />
Und das Problem <strong>der</strong> Bewegung seinerseits? Bewegung, d. i.<br />
Bewegtsein bzw. Ruhen (als ein eigener Modus von Bewegung),<br />
erweist sich als eine Grundbestimmung dessen, dem wir überhaupt<br />
ein Sein zusprechen, des Seienden. Die Art <strong>der</strong> möglichen<br />
Bewegtheit bzw. Unbewegtheit wandelt sich mit <strong>der</strong> Art des<br />
jeweiligen Seienden. Das Problem <strong>der</strong> Bewegung ist gegründet<br />
auf die Frage nach dem <strong>Wesen</strong> des Seienden als solchen.<br />
So weitet sich <strong>der</strong> Durchblick durch das Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>.<br />
Die einzelnen Durchgangsstellen <strong>der</strong> Erweiterung des Durchblicks<br />
seien jetzt noch einmal aufgezählt: praktische <strong>Freiheit</strong><br />
(Autonomie) - transzendentale <strong>Freiheit</strong> (absolute Spontaneität)<br />
- ausgezeichnete Kausalität - Kausalität (Ursachesein) als solche<br />
- Bewegtheit als solche - Seiendes als solches. Und wo stehen wir<br />
jetzt?<br />
Mit dieser Frage nach dem Seienden als solchem, nach dem,<br />
was das Seiende als Seiendes in seiner ganzen Weite und Tiefe<br />
denn eigentlich sei, fragen wir diej enige F rage, die von altersher<br />
als die entscheidende, erste und letzte Frage des eigentlichen<br />
Philosophierens gilt - die Leitfrage <strong>der</strong> Philosophie: 'tL 'to ov,<br />
was ist das Seiende?