Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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82 Die Leitfrage <strong>der</strong> Philosophie und ihre Fragüchkeit<br />
Il) Die Abweisung <strong>der</strong> Zugehörigkeit von e 10 zu e<br />
und die traditionelle Auslegung des Wahrseins als Problem <strong>der</strong><br />
Logik und Erkenntnistheorie (Schwegler, Jaeger, Ross). Die abwegige<br />
Auslegung des XUQLOOtlltll als Folge dieser Auslegung<br />
Wenn man schon, wie Jaeger, sich <strong>der</strong> sachlichen Interpretation<br />
von Schwegler anschließt, ein Kapitel <strong>der</strong> Logik könne nicht zur<br />
Metaphysik gehören, dann ist es doch nur konsequent, nicht Aristoteles<br />
selbst die Anfügung des Kapitels zuzumuten, zum al<br />
wenn man bedenkt, wie aristotelische Kapitel und Bücher durchkomponiert<br />
und gebaut sind. Jaegers Meinung ist umso merkwürdiger,<br />
als er in <strong>der</strong> Begründung <strong>der</strong> Zusammenhanglosigkeit<br />
des Kapitels mit dem Buch noch weiter geht als Schwegler. J aeger<br />
sieht als das >äußere< Haupthin<strong>der</strong>nis für eine Zugehörigkeit<br />
des Kapitels zum Buch dieses, daß nach <strong>der</strong> Stellung des Kapitels<br />
das OV aÄ.rr&f~ nicht nur ins Thema hereinreichen soll, son<strong>der</strong>n<br />
daß überdies sogar dieses OV noch als XUQLOOtlltll gelten<br />
soll, das Wahrseiende als das eigentlichste Seiende. Diese »Möglichkeit<br />
ist mir unwahrscheinlich, sie wird es jedem sein.« -<br />
»Sollte also jemand die Stellung von 8 10 darauf stützen, daß<br />
hier erst das XUQLOOtlltll OV erreicht werde, so mißversteht er den<br />
Wortlaut und denkt außerdem unaristotelisch.«lO Jaeger will<br />
sagen: Wer behauptet, Aristoteles fasse hier das Wahrsein als<br />
das eigentlichste Sein, <strong>der</strong> versteht nicht, was xUQLOOtatll heißt<br />
und hat eine Meinung über das Sein, die Aristoteles ganz fernliegt.<br />
Ich behaupte dagegen, wer 8 10 als zugehörig zu 8 auffaßt,<br />
ja sogar darin den eigentlichen Höhepunkt <strong>der</strong> Abhandlung und<br />
<strong>der</strong> aristotelischen Metaphysik überhaupt sieht, <strong>der</strong> denkt nicht<br />
nur nicht unaristotelisch, <strong>der</strong> denkt nicht nur echt aristotelisch,<br />
son<strong>der</strong>n einfach antik. Daß Aristoteles mit 8 10 schließt, d. h.<br />
das Wahrsein als das eigentliche Sein auslegt, darin kommt die<br />
entscheidende Grundauffassung von Sein und Wahrheit in <strong>der</strong><br />
antiken Metaphysik zum ersten und letzten radikalen Ausdruck.<br />
§ 9. Sein, Wahrheit, Anwesenheit 83<br />
So zu denken, kann nur <strong>der</strong> für unaristotelisch halten, <strong>der</strong> die in<br />
<strong>der</strong> Tradition seit langem in Gebrauch befindlichen problemlosen<br />
Gemeinplätze für aristotelisch hält.<br />
Damit ist schon angedeutet, daß die scheinbar äußerliche Frage<br />
<strong>der</strong> Zugehörigkeit des Kapitels zum Buch nur durch ein Eingehen<br />
auf das in Buch und Kapitel verhandelte Problem aufzulösen<br />
möglich ist, d. h. durch eine Behandlung <strong>der</strong> Frage: Welches<br />
ist die Grundbedeutung von Sein, so zwar, daß das Wahrsein im<br />
Zusammenhang des Wirklichseins behandelt werden kann und<br />
muß, ja daß sogar das Wahrseiende das eigentlichste Seiende<br />
ausmachen soll? Bevor wir diese Frage beantworten und so positiv<br />
die innere und notwendige Zugehörigkeit von 810 zu 8 beweisen,<br />
sollen kurz die Bedenken gegen die Möglichkeit eines<br />
Zusammenhangs von 8 10 mit 8 besprochen werden. Die Bedenken<br />
hinsichtlich <strong>der</strong> wesentlichen Verschiedenheit im Thema<br />
kommen in <strong>der</strong> positiven Interpretation von selbst zur Erledigung.<br />
Zuvor erörtern wir die Argumentation, die sich gegen<br />
das XUQLOOtlltll richtet.<br />
Wenn man von vornherein für feststehend hält, es handle sich<br />
in dem Kapitel um das OV aÄ.rr(}E~, das als logisches Problem<br />
nicht ins Thema gehört, dann muß man auch für unmöglich<br />
halten, daß hier von OV aÄ.rl1'tE~ als dem eigentlichsten Seienden,<br />
XUQLOOtlltll OV, die Rede ist. Dieses XUQLOOtllta muß also heraus.<br />
Zwei Möglichkeiten ergeben sich: 1. Man streicht es überhaupt<br />
weg, 2. man deutet es um, so daß die Bedeutung zu dem<br />
paßt, was man als Inhalt des Kapitels von vornherein meinte.<br />
Nach dieser zweiten Möglichkeit <strong>der</strong> Umdeutung verfahren<br />
Schwegler und vor allem Jaeger. Zum ersten Weg entscheidet<br />
sich die jüngste Bearbeitung durch Ross: seclusi: an post fLEV<br />
(a 34) transponenda?l1 Es besteht nicht die geringste Veranlassung<br />
zu einem so groben Eingriff in den Text, <strong>der</strong> hier völlig in<br />
<strong>der</strong> Ordnung ist. Nur stört eben die Unbequemlichkeit des<br />
XUQlOOtlltll in Bezug auf das, was man als Inhalt des Kapi-<br />
10 a.a.O., S. 52.<br />
11 Aristoteles, Metaphysica (Ross). Oxford 1924. Vol. II.