Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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228 KausalLtät und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />
nennt das die skeptische Methode. Sie dient nicht einem Skeptizismus,<br />
einer Zweifelssucht o<strong>der</strong> gar Verzweiflung an <strong>der</strong><br />
Möglichkeit <strong>der</strong> Wahrheit, son<strong>der</strong>n ist aXE'/Jtr; in <strong>der</strong> echten Bedeutung<br />
des Wortes - ein bloßes Zusehen dem Gegeneinan<strong>der</strong>,<br />
damit ja auf beiden Seiten alle Argumente ans Licht gebracht<br />
werden und <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>streit seine äußerste Schärfe bekommt.<br />
Denn nur so kann er aufgelöst werden, d. h. nur so kommt er<br />
an den Tag hinsichtlich seiner Voraussetzungen bzw. daß und<br />
inwiefern in diesen eine Falschheit liegen muß. Diese Falschheit<br />
wie<strong>der</strong> bringt uns dadurch zu einer Entdeckung <strong>der</strong> Wahrheit.<br />
32<br />
§ 24. Vorbereitende (negative) Bestimmungen<br />
zur Auflösung <strong>der</strong> dritten Antinomie<br />
a) Der Trug <strong>der</strong> gemeinen Vernunft in <strong>der</strong> Handhabung<br />
ihres Grundsatzes<br />
Wir sehen, <strong>der</strong> transzendentale Begriff <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> entspringt<br />
innerhalb einer Ideenbildung, d. h. eines notwendigen Vorstellens,<br />
bei dem die Vernunft ihr Prinzipium eines notwendigen<br />
Vorstellens geltend macht, unter an<strong>der</strong>em nämlich innerhalb<br />
desjenigen, das auf Objekte und ihre Mannigfaltigkeit<br />
geht, sofern diese Mannigfaltigkeit eine Reihe <strong>der</strong> Synthesi,<br />
ist, rücklaufend und aufsteigend vom Bedingten zu Bedingungen.<br />
In dieser Hinsicht wäre <strong>Freiheit</strong> unbedingte Kausalität.<br />
Welches Prinzip macht dabei die Vernunft geltend? Wenn das<br />
Bedingte gegeben ist, so ist auch die ganze Reihe aller Bedingungen<br />
desselben gegeben.<br />
Wenn wir diesen Grundsatz hören, spüren wir doch irgendeine<br />
Unstimmigkeit, wenngleich wir nicht in aller Deutlichkeit<br />
sagen können, wo sie ihren Sitz hat. Nur die Vermutung besteht<br />
zunachst, daß dieser Gnmdsatz trügerisch ist. Worin be-<br />
32 V gl. a.a.O., A 507, B 535.<br />
§ 24. Vorbereitende (negative) Bestimmungen 229<br />
steht <strong>der</strong> Betrug? Wovon ist in diesem Grundsatz überhaupt<br />
die Rede? Von Bedingung und Bedingtem, vom Verhältnis des<br />
Bedingten zur Bedingung. Nur davon? Nein, son<strong>der</strong>n vom Verhältnis<br />
<strong>der</strong> Gegebenheit des Bedingten zur Gegebenheit <strong>der</strong> Bedingung<br />
und ihrer ganzen Reihe, von <strong>der</strong> Bedingung <strong>der</strong> Gegebenheit<br />
<strong>der</strong> ganzen Reihe <strong>der</strong> Bedingungen. Von recht Verschiedenem<br />
und von Vielerlei ist da die Rede, und wir merken<br />
jetzt, daß, wenn wir den Grundsatz so dahersagen, wir uns<br />
nicht einfallen lassen, seinem vollen Gehalt Rechnung zu tragen.<br />
Trotzdem glauben wir, ihn ohne weiteres zu verstehen,<br />
einzusehen und anwenden zu dürfen. Wir - d. h. die gemeine<br />
Vernunft. Worin besteht die Gemeinheit in <strong>der</strong> Auffassung<br />
und Handhabung dieses Grundsatzes? Das Gemeine ist das Unterschiedslose,<br />
was alles in eins zusammenwirft, und daher unbesehen<br />
das in sich Verschiedene gleichmäßig nimmt, das eine<br />
für das an<strong>der</strong>e setzt, und sei es in sich noch so verschieden. Dadurch<br />
aber wird etwas genommen und ausgegeben als solches,<br />
was es nicht ist und umgekehrt. In dieser Gemeinheit <strong>der</strong> Vernunft<br />
liegt daher ohne weiteres Täuschung und Trug.<br />
Inwiefern wird dieser Grundsatz von <strong>der</strong> Vernunft gemeinunterschiedslos<br />
gemacht? Wir sagten zunächst allgemein, daß in<br />
diesem Grundsatz die Rede von Bedingtem und Bedingung ist.<br />
Schon <strong>der</strong> Begriff des Bedingten bringt es mit sich, daß darin<br />
vorgestellt wird die Beziehung auf - eine Bedingung. Es liegt<br />
demnach im Begriff des Bedingten die Anweisung auf den<br />
Rückgang zu einer Bedingung, an<strong>der</strong>s gesprochen, dieser Rückgang<br />
zur Reihe <strong>der</strong> Bedingungen ist im Begriff des Bedingten<br />
aufgegeben. Diese Aufgabe liegt schon allgemein in dem überhaupt<br />
nur vorgestellten Verhältnis von Bedingung und Bedingtem,<br />
ganz abgesehen davon, was als Bedingtes gegeben ist,<br />
ja ob überhaupt etwas gegeben ist. Diese Aufgabe besteht für<br />
das denkende Bestimmen rein als solches, für den A6yor;. Die<br />
den Begriff des Bedingten auszeichnende Aufgabe des Rückganges<br />
zu Bedingungen ist daher ein rein logisches Postulat.<br />
Allein, weil es ein rein logisches Postulat ist, sagt es nicht nur