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Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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208 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />

stellens aller Dinge überhaupt. Aus diesen drei Grundrichtungen<br />

möglichen Vor-steIlens überhaupt ergeben sich drei Klassen<br />

von Ideen als Vorstellungen von etwas im allgemeinen hinsichtlich<br />

seiner Ganzheit. Die erste enthüllt die unbedingte<br />

Ganzheit und Einheit des Subjekts, die zweite die Einheit und<br />

Ganzheit des Mannigfaltigen <strong>der</strong> Erscheinungen, von denen<br />

wir jetzt wissen, daß sie eine fortlaufende Reihe von Bedingungen<br />

und Bedingtem bilden, die dritte die absolute Einheit<br />

<strong>der</strong> Bedingung aller Gegenstände des Denkens überhaupt. Im<br />

unmittelbaren Anschluß an diese Ableitung <strong>der</strong> Dreiheit des<br />

möglichen ideenhaften VorsteIlens erwähnt Kant die drei überlieferten<br />

Disziplinen <strong>der</strong> Metaphysica specialis.<br />

§ 22. Kausalität durch <strong>Freiheit</strong>.<br />

<strong>Freiheit</strong> als kosmologische Idee<br />

a) Das Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> entspringt aus dem<br />

bzw. als Weltproblem.<br />

<strong>Freiheit</strong> als ausgezeichneter Modus <strong>der</strong> Naturkausalität<br />

Wir sagten, <strong>der</strong> erste Weg zur Frage nach <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> führt<br />

über das Problem <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Erfahrung als <strong>der</strong> Frage<br />

nach <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Metaphysik, die als eigentliche die<br />

genannten drei Disziplinen umfaßt. In eine dieser Disziplinen<br />

muß demnach das Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> gehören. Die Frage<br />

nach <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> begegnet auf dem Wege nach <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong><br />

Möglichkeit <strong>der</strong> eigentlichen Metaphysik. In welcher Disziplin<br />

bzw. in welcher Klasse von Ideen erwächst nun die Idee <strong>der</strong><br />

<strong>Freiheit</strong>?<br />

<strong>Freiheit</strong> kennen wir als Grundbedingung und Charakter <strong>der</strong><br />

sittlich handelnden Person, also des eigentlichen Subjekts in <strong>der</strong><br />

Subjektivität und Ichheit des Menschen. <strong>Vom</strong> »denkenden Subjekt«l<br />

aber im Sinne des ideenhaften VorsteIlens desselben han-<br />

1 a.a.O., A 334, B 391.<br />

§ 22. Kausalität durch <strong>Freiheit</strong> 209<br />

delt die rationale Psychologie. <strong>Freiheit</strong> ist genuin <strong>Freiheit</strong> des<br />

Willens als eines Vermögens <strong>der</strong> Seele. <strong>Freiheit</strong> ist ein »psychologischer<br />

Begriff«. Also wird hier in <strong>der</strong> Psychologia rationalis<br />

auch die Idee <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> anzutreffen sein. Allein, wir suchen<br />

sie da vergeblich. <strong>Freiheit</strong> ist keine psychologische Idee. So<br />

wird man darauf geführt zu überlegen, daß am Ende <strong>der</strong><br />

Mensch nur bedingt und nicht eigentlich frei und daß am Ende<br />

<strong>Freiheit</strong> die Auszeichnung des höchsten <strong>Wesen</strong>s aller <strong>Wesen</strong>,<br />

Gottes ist. Mithin ist es eine theologische Idee in <strong>der</strong> Theologia<br />

rationalis. Aber auch hier suchen wir vergebens. <strong>Freiheit</strong> ist<br />

vielmehr dort, wo wir sie zuletzt und am wenigsten erwarten:<br />

sie ist eine kosmologische Idee. Sie erwächst im Zusammenhang<br />

des Weltproblems, wobei Kant unter» Welt« versteht<br />

den »Inbegriff aller Erscheinungen«2 (Natur und Kosmos), also<br />

den Inbegriff des vorhandenen Seienden, sofern es einer endlichen<br />

<strong>menschlichen</strong> Erkenntnis zugänglich ist.<br />

Es ist von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung, ganz klar zu sehen, an<br />

welcher Stelle <strong>der</strong> eigentlichen Metaphysik die Idee <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />

steht. So sagt Kant in einer Anmerkung zum dritten Abschnitt<br />

des ersten Buches <strong>der</strong> transzendentalen Dialektik (»System<br />

<strong>der</strong> transzendentalen Ideen«): »Die Metaphysik hat zum<br />

eigentlichen Zwecke ihrer Nachforschung nur drei Ideen: Gott,<br />

<strong>Freiheit</strong> und Unsterblichkeit.«3 Hierin kommt nicht nur klar<br />

zum Ausdruck, daß das <strong>Freiheit</strong>sproblem für Kant metaphysisch<br />

genommen ein kosmologisches ist, son<strong>der</strong>n daß die Idee<br />

<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> wie<strong>der</strong>um unter den übrigen kosmologischen Ideen<br />

selbst einen Vorrang einnimmt.<br />

Es gilt nun eingehen<strong>der</strong> zu zeigen, wie das Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />

aus dem Weltproblem bzw. als Weltproblem entspringt.<br />

Wir können jetzt schon das eine vorausnehmen: Wenn <strong>Freiheit</strong><br />

im Zusammenhang des Weltproblems seine Stelle hat, Welt<br />

aber bedeutet den Inbegriff und die Totalität <strong>der</strong> Erscheinun-<br />

2 Ebd.<br />

8 a.a.O., A 337, B 395 Anm. Die allgemeine Aufzählung ist: Gott,<br />

Welt, Seele. Anstelle von Welt jetzt <strong>Freiheit</strong>; »Seele«: Unsterblichkeit.

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