Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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78 Die Leitfrage <strong>der</strong> Philosophie und ihre Fraglichkeit<br />
2.) 't0 OV %o.tU oUllßeß'l']%6~, das Seiende hinsichtlich seines gerade<br />
so und so Seins, dasjenige Sein am Seienden, das sich an<br />
ihm gerade o<strong>der</strong> gerade einmal eingestellt hat, z. B. rot sein,<br />
weiß sein, was aber nicht notwendig zu sein braucht.<br />
3.) tO OV %o.tU Mvo.llLV %UI. EVEfneLo.v, das Seiende hinsichtlich<br />
seines Möglichseins und Wirklichseins.<br />
4.) tO OV w~ aA'l']~E~ %0.1. 'tjJeuöo~, das Seiende hinsichtlich von<br />
Wahrsein und Falschsein.<br />
Die Erforschung des OV TI OV muß sich offenbar über die vielfache<br />
Bedeutung des OV von vornherein klar sein. Das war nicht<br />
immer <strong>der</strong> Fall. Nur langsam wurde diese Klarheit erreicht, und<br />
auch bei Aristoteles sind nur faktisch diese vier unterschieden.<br />
Warum gerade sie und sie allein und im Hinblick worauf sie<br />
unterschieden werden, darüber gibt er nirgends Aufschluß. Für<br />
uns ist jetzt wichtig: Unter den Bedeutungen des Seins wird ausdrücklich<br />
das Wahrsein genannt. Muß nun die eigentliche Philosophie,<br />
die nach dem fragt, was das Seiende als solches eigentlich<br />
ist, nach allen vier Weisen des Seins fragen o<strong>der</strong> aber nur<br />
nach dem Seienden und dessen Sein, das eben als das eigentliche<br />
Seiende sich bekundet? Offenbar nur nach diesem. Denn wenn<br />
das <strong>Wesen</strong> des Seins am eigentlichen Seienden aufgeklärt ist,<br />
kann von da aus das uneigentliche Seiende in seinem <strong>Wesen</strong> geklärt<br />
werden.<br />
So verfährt Aristoteles nun auch in »Metaphysik« E (VI), wo<br />
er einen Aufriß vom thematischen Feld <strong>der</strong> eigentlichen Philosophie<br />
gibt, und zwar anhand <strong>der</strong> vier angeführten Bedeutungen<br />
des ov. Hierbei werden nun das an zweiter Stelle genannte OV<br />
%o.tU oUllßeß'l']%6e; und das an vierter Stelle genannte OV w~ aA'l']~E~<br />
ausgeschieden aus dem Felde <strong>der</strong> Metaphysik. Es bleiben nur<br />
die an zweiter und dritter Stelle genannten Bedeutungen und<br />
diese sind nun auch faktisch abgehandelt in den Hauptbüchern<br />
<strong>der</strong> »Metaphysik«: Z, H, e, I (VII-X). Warum werden die<br />
zweite und die vierte Bedeutung ausgeschieden? Wir deuteten<br />
schon an, daß in ihnen Seiendes gemeint ist, an dem sich das<br />
Sein des eigentlichen Seienden, also auch das eigentliche Sein,<br />
§ 9. Sein, Wahrheit, Anwesenheit 79<br />
nicht bekundet. Inwiefern? Das OV %o.'tU oUllßeß'Il%6~ ist UOQLOtOV,<br />
es ist nicht und nie in seinem Sein bestimmt, es ist bald so, bald<br />
so, d. h. es meint nichts beständig Anwesendes, nicht rcEQo.~ und<br />
1l0QCPf} , eiöoe;, son<strong>der</strong>n was bald auftaucht, bald verschwindet.<br />
Daher sagt Aristoteles: cpo.Lve'tUL YUQ 't0 OUllßEß'I']%O~ EYYU~ 'tL tOU<br />
lllJ OVtO~.3 Hier ist also nicht das eigentliche Seiende gemeint.<br />
Und weshalb wird das OV we; aA'I']~E~ ausgeschieden? Um es kurz<br />
zu sagen: Wahr und falsch sind Eigenschaften <strong>der</strong> Erkenntnis<br />
des Seienden, <strong>der</strong> Aussage, des A6yo~ über das Seiende. Aristoteles<br />
nennt es tij~ ÖLo.VOLo.e; 'tL rcu~0~4, einen Zustand und Charakter<br />
des denkenden Bestimmens des Seienden, aber nicht des Seienden<br />
selbst. Das Wahrsein betrifft nur das Erfassen und Denken des<br />
Seienden, aber nicht das Seiende selbst. Traditionell gesprochen,<br />
das Problem des Wahrseins (Wahrheit und Falschheit) gehört in<br />
die Logik und Erkenntnistheorie, aber nicht in die Metaphysik.<br />
So ist die Ausscheidung <strong>der</strong> zweiten und <strong>der</strong> vierten Bedeutung<br />
ganz in <strong>der</strong> Ordnung und ohne weiteres einleuchtend. Für die<br />
thematische Behandlung durch die Metaphysik als Erkenntnis<br />
des Seienden selbst und als solchen können nur das OV <strong>der</strong> Kategorien<br />
und das OV %UtU Mvo.llLV %0.1. EVEQYELUV in Frage kommen.<br />
Das OV <strong>der</strong> Kategorien - und zwar vor allem die erste und alle<br />
übrigen fundierende Kategorie - behandelt Aristoteles in »Metaphysik«<br />
Z, H, das OV %o.'tU Mvo.llLV %0.1. EVEQYELo.V, Sein im Sinne<br />
von Möglichsein und Wirklichsein in >}Metaphysik« e.<br />
Mehr noch, im Buch e wird nun EVEQYfLo. (EvtEAExELo.) als die<br />
Grundbedeutung <strong>der</strong> Wirklichkeit des eigentlich Wirklichen<br />
herausgestellt. Das eigentliche Seiende ist OV EVEQyEl~. Dasjenige,<br />
dem nach unserer Interpretation Beständigkeit in <strong>der</strong> Anwesenheit<br />
zugesprochen werden muß, verdient eigentlich die Benennung<br />
Seiendes, fJ OUOLo. %0.1. tO döo~ EVEQYELU EOtLV. 5 So ist das<br />
Buch e <strong>der</strong> aristotelischen »Metaphysik« dasjenige, worin das<br />
Sein des eigentlichen Seienden abgehandelt wird.<br />
3 a.a.ü., E 2, 1026 b 21.<br />
4 a.a.ü., E 4, 1028 a 1.<br />
:; a.a.ü., EI 8, 1050 b 2.