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Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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156 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />

sein. Woher kommt diese Vorstellung von Einheit im Vorhandensein<br />

? Da Wahrnehmungen immer nur Zusammengeratendes<br />

geben, kann die Einheit und <strong>der</strong> Zusammenhang nicht durch<br />

Wahrnehmungen gegeben werden. Sofern die Erkenntnis nach<br />

Kant (die Erfahrung) aus Anschauung und Denken (Sinnlichkeit<br />

und Verstand) besteht, kann diese Einheit des Zusammenhangs<br />

im Vorhandensein des Vorhandenen nur aus dem Denken<br />

stammen o<strong>der</strong> aus einem bestimmten einheitlichen Zusammengehen<br />

von Anschauung und Denken. Durch das Denken<br />

allein kann offenbar die Einheit des Vorhandenseins des Vorhandenen<br />

nicht bestimmt werden. Denn wie soll das möglich<br />

sein?<br />

Vorhandensein eines Vorhandenen ist immer Vorhandensein<br />

in <strong>der</strong> Zeit. Die Einheit <strong>der</strong> Natur ist daher primär bestimmt<br />

als Einheit und Zusammenhang des Vorhandenen in <strong>der</strong> Zeit.<br />

Aber gerade dieses, die jeweilige bestimmte Zeitstelle und das<br />

jeweilige bestimmte Zeitverhältnis eines Vorhandenen zu einem<br />

an<strong>der</strong>en kann nicht frei vom Denken erdacht, kann nicht konstruiert<br />

werden. Wir können aber ebensowenig die jeweilige<br />

Zeitbestimmtheit eines Vorhandenen im Zusammenhang <strong>der</strong><br />

einheitlichen Zeitverhältnisse <strong>der</strong> Natur einfach und direkt<br />

wahrnehmen. Dazu wäre erfor<strong>der</strong>lich, daß wir die jeweilige<br />

Zeitstelle jedes Vorhandenen an <strong>der</strong> absoluten Zeit ablesen<br />

könnten, was wie<strong>der</strong>um voraussetzt, daß wir die Zeit selbst -<br />

für sich - absolut im Ganzen wahrnehmen könnten. Das ist<br />

aber unmöglich. Kant betont immer wie<strong>der</strong> im ganzen Verlauf<br />

<strong>der</strong> Erörterung <strong>der</strong> Analogien, daß» die absolute Zeit kein Gegenstand<br />

<strong>der</strong> Wahrnehmung ist, womit Erscheinungen könnten<br />

zusammengehalten werden«13 und »die Zeit selbst ... nicht<br />

wahrgenommen werden kann«.14 »Nun kann die Zeit für sich<br />

nicht wahrgenommen werden«.15 Die »Zeit an sich selbst kann<br />

nicht wahrgenommen und in Beziehung auf sie gleichsam empi-<br />

13 a.a.O., A 215, B 262.<br />

14 a.a.O., B 219.<br />

15 a.a.O., B 225.<br />

§ 17. Allgemeine Charakteristik <strong>der</strong> Analogien 157<br />

tisch, was vorhergehe und was folge, am Objekte bestimmt<br />

werden «.16<br />

Wo liegt die eigentliche Begründung? Kant hat sie nicht ausdrücklich<br />

und eigens gegeben und konnte sie nicht geben, weil<br />

eine Metaphysik des Daseins fehltP Es »ist nur Eine Zeit, in<br />

welcher alle verschiedenen Zeiten nicht zugleich, son<strong>der</strong>n nacheinan<strong>der</strong><br />

gesetzt werden müssen«.18 Zeitbestimmtheit und damit<br />

Einheit des Vorhandenseins des Vorhandenen, d. h. Natur,<br />

ist we<strong>der</strong> wahrnehmbar noch apriori konstruierbar, obgleich<br />

sowohl Anschauung wie Denken beteiligt sind, son<strong>der</strong>n nur in<br />

<strong>der</strong> empirischen Zeitmessung festzustellen. Hierzu aber ist notwendig,<br />

daß diejenigen Zeitbestimmungen im vorhinein festgestellt<br />

sind, darin sich diejenigen Zeitverhältnisse ausdrücken,<br />

in denen überhaupt Vorhandenes als in <strong>der</strong> Zeit Vorhandenes<br />

ist. Empirische Zeitverhältnisse sind überhaupt nur bestimmbar<br />

auf dem Grunde <strong>der</strong> reinen Zeitverhältnisse, in denen sich<br />

eine Natur überhaupt als solche hält, mag sie in ihrem faktisch<br />

konkreten Ablauf sein wie immer. Die Analogien <strong>der</strong> Erfahrung<br />

nun, d. h. die Grundsätze, zu denen auch <strong>der</strong> Grundsatz<br />

<strong>der</strong> Kausalität (Zweite Analogie) gehört, nennt Kant die<br />

transzendentalen Zeitbestimmungen. Sie enthalten die Regeln<br />

<strong>der</strong> notwendigen und durchgängigen Zeitbestimmung alles<br />

Vorhandenen, »ohne welche selbst die empirische Zeitbestimmung<br />

unmöglich sein würde«.19 Vermittels dieser Regeln können<br />

wir »die Erfahrung antizipieren«2o, d. h. vorwegnehmen,<br />

nicht den faktischen Ablauf und die faktischen Konstellationen,<br />

son<strong>der</strong>n dasjenige, dem je<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>e faktische Ablauf<br />

im vorhinein, sofern er Naturablauf ist, untersteht. Diese Regeln<br />

<strong>der</strong> transzendentalen Zeitbestimmung, die keine solchen<br />

des bloßen Denkens sind, stecken gleichsam die weitest umgrei-<br />

16 a.a.O., B 233, vgl. B 257.<br />

17 Zeit - Zeitlichkeit - Endlichkeit - Dasein des Menschen. Vgl. Kant<br />

und das Problem <strong>der</strong> Metaphysik.<br />

18 a.a.O., A 1SS f., B 232.<br />

19 a.a.O., A 217, B 264.<br />

20 Ebd.

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