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Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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170 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />

deutet Entsprechung von etwas mit etwas, genauer, die Entsprechung<br />

eines Verhältnisses mit einem an<strong>der</strong>en. In <strong>der</strong> Mathematik<br />

bezeichnet Analogie die Entsprechung zweier Größenverhältnisse,<br />

ihre Proportion. Wenn drei Glie<strong>der</strong> gegeben sind,<br />

kann das vierte dadurch mathematisch bestimmt, d. h. mathematisch<br />

gewonnen und gegeben, konstruiert werden. Analogie<br />

ist in <strong>der</strong> Mathematik eine konstitutive Bestimmung. In <strong>der</strong><br />

Philosophie geht es nicht um quantitative, son<strong>der</strong>n um qualitative<br />

Verhältnisse (Wolff), und hier kann das vierte Glied nicht<br />

als solches gegeben und gewonnen werden, son<strong>der</strong>n es ist nur<br />

bestimmbar als Verhältnis zum vierten, d. h. bestimmbar ist<br />

nur die Art, wie das vierte Glied sein muß, als was es angetroffen<br />

werden muß in <strong>der</strong> Erfahrung, wenn es überhaupt erfahrbar<br />

sein soll in seinem Dasein.<br />

Beispiel für die erste Analogie ist die Entsprechung zweier<br />

Verhältnisse, Prädikat zum Subjekt, Akzidenz zur Substanz.<br />

Entsprechend wie P zu S verhält sich Akzidenz als in <strong>der</strong> Zeit<br />

Begegnendes zur Substanz. Diese muß sein als das Bestimmbare,<br />

Zugrundeliegende, zeitlich gesprochen: als das Beharrliche.<br />

Die Analogie behauptet nicht das Vorhandensein von<br />

Substanzen, son<strong>der</strong>n gibt die apriorische Anweisung und Regel,<br />

in je<strong>der</strong> Erscheinung je das Beharrliche je<strong>der</strong>zeit zu suchen. Mit<br />

dieser Anweisung ist zugleich ein Merkmal gegeben, um je in<br />

den Erscheinungen solches aufzufinden, was <strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>ten<br />

Beharrlichkeit genügt.<br />

Die Analogien sind ontologische Grundsätze über das V orhandensein<br />

des Vorhandenen (existentia). Aus diesen ontologischen<br />

Sätzen wird nicht geschlossen auf das Vorhandensein des<br />

entsprechenden Ontischen, son<strong>der</strong>n auf die endliche, <strong>der</strong> Erfahrung<br />

zugehörige Notwendigkeit <strong>der</strong> bestimmten Antreffbarkeit<br />

des im Grundsatz ontologisch Gemeinten, hier <strong>der</strong> Beharrlichkeit.<br />

»Nun ist aber alles dasjenige in Ansehung <strong>der</strong> Gegenstände<br />

<strong>der</strong> Erfahrung notwendig, ohne welches die Erfahrung<br />

von diesen Gegenständen selbst unmöglich sein würde«.lO (Be-<br />

10 a.a.O., A 213, B 259 f.<br />

§ 18. Erläuterung <strong>der</strong> Beweisart <strong>der</strong> Analogien 171<br />

weis <strong>der</strong> dritten Analogie). Die <strong>der</strong> Erfahrung zugehörige Notwendigkeit<br />

ist eine bedingte, die in einer Zufälligkeit <strong>der</strong> Erfahrung<br />

gründet: wenn endliches Dasein existiert. Darin liegt<br />

eine Neubestimmung des <strong>Wesen</strong>s des Ontologischen.<br />

Demgegenüber verfährt die vorangehende Metaphysik wie<br />

folgt: 1. Die ontologischen Sätze werden rational-logisch bewiesen,<br />

nicht aus dem <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> Erfahrung. 2. Diese ontologischen<br />

Sätze werden zu direkten ontischen Schlüssen velwendet.<br />

In gewissem weiteren Sinne sind alle vier Gruppen von<br />

Grundsätzen entsprechend den vier Klassen <strong>der</strong> Kategorien<br />

Analogien, sofern sie in Entsprechung zu den vier logischen<br />

Formen möglicher Verbindung <strong>der</strong> Vorstellungen überhaupt<br />

möglicher Bestimmung gefaßt sind. Die vier Hinsichten, nach<br />

denen übereinstimmend die Mannigfaltigkeit <strong>der</strong> Urteilsformen<br />

(Kategorien) und Grundsätze gebildet sind, entstammen<br />

<strong>der</strong> traditionellen Einteilung <strong>der</strong> Urteile (Urteilsformen) in<br />

<strong>der</strong> formalen Logik: Quantität, Qualität, Realität, Modalität.<br />

Beharrlichkeit (Substanz) steht als Kategorie in <strong>der</strong> Klasse<br />

<strong>der</strong> Relation des Verhältnisses, und zwar wie Kant hierll erst<br />

sagt, nicht so sehr, weil sie selbst ein Verhältnis enthielte, son<strong>der</strong>n<br />

weil sie selbst überhaupt die Bedingung <strong>der</strong>selben, d. h.<br />

aller Verhältnisse ausmacht: Inhärenz und Subsistenz, substantia<br />

et accidens, Kausalität und Dependenz (Ursache und Wirkung),<br />

Gemeinschaft (Wechselwirkung zwischen den Handelnden<br />

und Leidenden).1 2 Leitfaden dafür ist die Urteilstafel, d. h.<br />

die» Verhältnisse des Denkens in Urteilen«. Es »sind die a) des<br />

Prädikats zum Subjekt, b) des Grundes zur Folge, c) <strong>der</strong> eingeteilten<br />

Erkenntnis und <strong>der</strong> gesammelten Glie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Einteilung<br />

untereinan<strong>der</strong>. «13<br />

11 Vgl. a.a.O., A 187, B 230.<br />

12 Vgl. a.a.O., A 80, B 106.<br />

13 a.a.O., A 73, B 98.

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