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Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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212 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />

<strong>der</strong> Einschränkungen zur Zerrüttung <strong>der</strong> Vernunft führen! Wir<br />

entnehmen hieraus nicht nur die Endlichkeit auch <strong>der</strong> reinen<br />

Vernunft, son<strong>der</strong>n zugleich, daß die Vernunftbegriffe, Ideen,<br />

sich nicht und nie direkt auf das zugängliche Seiende als solches<br />

beziehen, son<strong>der</strong>n gemäß ihrem Ursprung unmittelbar nur auf<br />

den Verstandesgebrauch. Diesem wird durch die Ideen »die<br />

Richtung auf eine gewisse Einheit« vorgeschrieben.9 Der Verstandesgebrauch<br />

im Felde <strong>der</strong> Erfahrung, d. h. <strong>der</strong> Erkenntnis<br />

<strong>der</strong> Objekte als Erscheinungen, bekundet sich in den Grundsätzen<br />

<strong>der</strong> Erfahrung, wozu auch die Analogien gehören, den Regeln<br />

<strong>der</strong> Einheit des Zusammenhangs (Synthesis) <strong>der</strong> Mannigfaltigkeit<br />

<strong>der</strong> Erscheinungen.<br />

b) Die Idee <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> als >transzendentaler<br />

Naturbegriff< : absolut gedachte Naturkausalität<br />

Was heißt es nun, daß die Vernunft diesen Verstandesbestimmungen<br />

gegenüber ihr Prinzip, »das Prinzipium <strong>der</strong> unbedingten<br />

Einheit«lO geltend macht? In <strong>der</strong> Erscheinung erscheint die<br />

Mannigfaltigkeit des Vorhandenen im Zusammenhang seines<br />

Vorhandenseins; in diesem liegt ein Geschehen, Verän<strong>der</strong>ung,<br />

Folge von Begebenheiten, d. h. gerichteter Zusammenhang<br />

von Bedingungen und Bedingtem. Wenn die Vernunft ihr<br />

Prinzip geltend macht, dann for<strong>der</strong>t sie in <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

absoluten Totalität den Fortgang von einer Bedingung zur an<strong>der</strong>en<br />

bis zum Unbedingten. Ihr Grundsatz ist dabei ihrem<br />

Prinzip gemäß dieser: »wenn das Bedingte gegeben ist, so ist<br />

auch die ganze Summe <strong>der</strong> Bedingungen, mithin das schlechthin<br />

Unbedingte gegeben, wodurch jenes allein möglich war. «11<br />

Wenn die Vernunft die Vollständigkeit <strong>der</strong> Reihe <strong>der</strong> Bedingungen<br />

vorstellt, dann geht sie innerhalb <strong>der</strong> Reihe <strong>der</strong> Abfolge<br />

von Bedingungen und Bedingtem hinauf und rückwärts<br />

9 a.a.O., A 326, B 383.<br />

10 a.a.O., A 407, B 433.<br />

11 a.a.O., A 409, B 436.<br />

§ 22. Kausalität durch <strong>Freiheit</strong> 213<br />

in <strong>der</strong> Richtung <strong>der</strong> Bedingung und nicht hinab und vorwärts<br />

in <strong>der</strong> Richtung <strong>der</strong> Folgen, »weil wir zur vollständigen Begreiflichkeit<br />

dessen, was in <strong>der</strong> Erscheinung gegeben ist, wohl<br />

<strong>der</strong> Gründe, nicht aber <strong>der</strong> Folgen bedÜrfen«.12<br />

Beiläufig gesagt gilt das allenfalls innerhalb und für den<br />

Vorgangszusammenhang in <strong>der</strong> körperlichen Natur, aber ganz<br />

und gar nicht für die Geschichte, denn eine geschichtliche Begebenheit<br />

wird wesensmäßig gerade aus ihren Folgen verstanden.<br />

Die Folgen sind für ein geschichtliches Ereignis nicht, was wir<br />

so nennen, etwas Nachträgliches und Angehängtes, son<strong>der</strong>n<br />

wesentlich und daher auch kategorial an<strong>der</strong>s denn als Folge zu<br />

bestimmen. Darin liegt zugleich, daß die geschichtliche Vergangenheit<br />

nicht bestimmt ist durch ihre Stelle im Gewesenen, son<strong>der</strong>n<br />

durch Möglichkeiten ihrer Zukunft. Nicht irgendein<br />

Künftiges, das nach Eintritt eines Geschehens Ereignis und<br />

Folge geworden ist, son<strong>der</strong>n Künftiges als Mögliches ist hier<br />

bestimmend. Deshalb ist Geschichte <strong>der</strong> Gegenwart ein Wi<strong>der</strong>sinn.<br />

Daß Kant diese ganz an<strong>der</strong>s geartete Dimension des Seienden<br />

nicht beachtet und im Grunde nicht kennt, ist indirekt<br />

ein Beweis dafür, wie das Feld <strong>der</strong> Erscheinungen für ihn sich<br />

deckt mit dem Bezirk des Vorhandenen, <strong>der</strong> Natur im weiteren<br />

Sinne.<br />

»Die kosmologischen Ideen also [die Vernunftbegriffe von<br />

<strong>der</strong> Vollständigkeit des Zusammenhangs <strong>der</strong> Objekte als Erscheinungen]<br />

beschäftigen sich mit <strong>der</strong> Totalität <strong>der</strong> regressiven<br />

Synthesis, und gehen in antecedentia, nicht in consequentia.«13<br />

Wir haben nun bei <strong>der</strong> Erörterung des Grundsatzes <strong>der</strong><br />

Kausalität gesehen, daß dieser als dynamischer eigens bezogen<br />

ist auf Begebenheiten und d. h. auf die Geschehensfolge <strong>der</strong><br />

Erscheinungen. Die Vernunft wird also gerade hier auf die<br />

Einheit und Vollständigkeit dieser Reihe es absehen. Der Reihenzusammenhang,<br />

d. h. das Verhältnis des Bedingten zur Bedingung,<br />

ist bestimmt durch das Verursachtsein des Bedingten,<br />

12 a.a.O., A 411, B 438.<br />

13 Ebd.

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