Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
14 Vorbetrachtung<br />
d) Philosophie als Offenbarmachen des Ganzen im<br />
Durchgang durch wirklich gefaßte einzelne Probleme<br />
Mit <strong>der</strong> Frage nach dem <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> <strong>menschlichen</strong> <strong>Freiheit</strong> wird<br />
also von vornherein ständig das Ganze des Seienden Thema,<br />
Welt und Gott, und nicht nur die Grenze. Wohl ist die Frage<br />
nach dem <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> eine an<strong>der</strong>e als die nach dem <strong>Wesen</strong><br />
<strong>der</strong> Wahrheit, und doch ist sie keine Son<strong>der</strong>frage, son<strong>der</strong>n geht<br />
ins Ganze. Und vielleicht gilt das auch von <strong>der</strong> Frage nach dem<br />
<strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> Wahrheit. Das sagt aber: Jede philosophische Frage<br />
fragt ins Ganze. Und so dürfen wir, ja müssen wir am Leitfaden<br />
<strong>der</strong> Frage nach dem <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> <strong>menschlichen</strong> <strong>Freiheit</strong> eine wirkliche<br />
<strong>Einleitung</strong> in die Philosophie als Ganzes wagen.<br />
Allerdings, ein Mangel bleibt auch so zurück. Wenngleich das<br />
Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> das Ganze <strong>der</strong> Philosophie vor Augen legen<br />
wird, so geschieht es doch in einer beson<strong>der</strong>en Perspektive,<br />
eben <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> und nicht z. B. <strong>der</strong> Wahrheit. Das Ganze<br />
<strong>der</strong> Philosophie zeigt sich in unserer <strong>Einleitung</strong> gleichsam in einer<br />
ganz bestimmten Verlagerung. Wählten wir etwa das Problem<br />
<strong>der</strong> Wahrheit, wie das in einer früheren <strong>Einleitung</strong> geschehen<br />
ist4, dann zeigt sich das Ganze <strong>der</strong> Philosophie in einer<br />
an<strong>der</strong>en Lagerung und Verwobenheit <strong>der</strong> Probleme. Das wirkliche<br />
Ganze <strong>der</strong> Philosophie wäre also erst gefaßt, wenn wir das<br />
mögliche Ganze aller möglichen Fragen und ihrer Perspektiven<br />
behandeln würden und könnten.<br />
Wie wir uns auch drehen und wenden, das eine können wir<br />
doch nicht abschütteln, daß die <strong>Einleitung</strong> in die Philosophie am<br />
Leitfaden des <strong>Freiheit</strong>sproblems eine beson<strong>der</strong>e und vereinzelte<br />
Orientierung nimmt. Am Ende ist dies kein Mangel und bedarf<br />
noch weniger einer Entschuldigung durch die Zuflucht zur Gebrechlichkeit<br />
alles <strong>menschlichen</strong> Tuns. Vielleicht beruht darin gerade<br />
die Stärke und Schlagkraft des Philosophierens, daß es das<br />
Ganze nur im wirklich gefaßten einzelnen Problem offenbar<br />
4 <strong>Einleitung</strong> in die Philosophie, Freiburger Vorlesung WS 1928/29.<br />
§ 1. Der scheinbare Wi<strong>der</strong>spruch 15<br />
macht. Vielleicht ist jenes beliebte Verfahren, das alles, was es<br />
an philosophischen Fragen gibt, in irgend einen Rahmen zusammenpackt<br />
und dementsprechend von allem und jedem redet,<br />
ohne wirklich zu fragen, das Gegenteil einer <strong>Einleitung</strong> in die<br />
Philosophie, d. h. ein Schein von Philosophie, Sophistik. 5<br />
;; Vgl. Aristoteles, Metaphysik (Christ). Leipzig 1886. r 2, 1004 b 17 f.<br />
und b 26.