160 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem c) Zur Unterscheidung <strong>der</strong> dynamischen und <strong>der</strong> mathematischen Grundsätze Für den Abschluß <strong>der</strong> allgemeinen Charakteristik <strong>der</strong> Analogien <strong>der</strong> Erfahrung sei noch eine Bezeichnung erwähnt, die Kant diesen Grundsätzen und <strong>der</strong> folgenden Gruppe gibt, die nicht ohne weiteres verständlich ist. Er nennt sie dynamische Grundsätze, im Unterschied zu den mathematischen. 26 Mit Hilfe dieser Unterscheidung glie<strong>der</strong>t er auch die Kategorien. Diese Unterscheidung betrifft nicht so sehr den Charakter <strong>der</strong> Grundsätze selbst und als solcher, als vielmehr die Art, wie sie grundsätzlich fungieren, kantisch gesprochen, angewendet werden und wie sie das, worauf sie angewandt werden, ermöglichen (Anschaubarkeit, Bestimmbarkeit im Vorhandensein). »Nun sind alle Kategorien in zwei Klassen, die mathematischen, welche bloß auf die Einheit <strong>der</strong> Synthesis in <strong>der</strong> Vorstellung <strong>der</strong> Objekte, und die dynamischen, welche auf die in <strong>der</strong> Vorstellung <strong>der</strong> Existenz <strong>der</strong> Objekte gehen, eingeteilt. «27 Die Grundsätze und Kategorien, die mathematische genannt werden, betreffen dasjenige an den Erscheinungen, was wir das Anschauliche und Gehaltliche nennen, in <strong>der</strong> Terminologie Kants und <strong>der</strong> vorangehenden Metaphysik: das Reale. Das Reale meint hier nicht, wie im heutigen unechten Sprachgebrauch, das Wirkliche, son<strong>der</strong>n das zur res gehörige, sie ausmachende, den Sachgehalt. Die mathematischen Grundsätze sind diejenigen, die umgrenzen, was zur Sachheit <strong>der</strong> Sachen gehört, die essentia. Die mathematischen Grundsätze sind in <strong>der</strong> Problematik Kants diejenigen ontologischen Sätze, die die essentia eines Seienden bestimmen. Von <strong>der</strong> essentia aber wird von altersher unterschieden die existentia (Vorhandensein, kantisch: Dasein).28 Werden nun die 26 Vgl. <strong>Vom</strong> <strong>Wesen</strong> des Grundes, S. 21. 27 Kant, Kr. d. pr.V. (Vorlän<strong>der</strong>). 9. Aufl., Leipzig (Meiner) 1929. S. 120 (V, 186). 28 Vgl. oben, S. 40 ff. die verschiedenen Bedeutungen von >ist< (Wassein, Daß-sein; essentia, existentia). § 17. Allgemeine Charakteristik <strong>der</strong> Analogien 161 Erscheinungen grundsätzlich bestimmt lediglich in Absicht auf ihr Vorhandensein (existentia), nicht in bezug auf ihre Sachhaltigkeit, dann heißen solche Grundsätze bei Kant dynamische Grundsätze. Wenn die Analogien <strong>der</strong> Erfahrung zu den dynamischen Grundsätzen gehören, ersehen wir daraus, wo sie im Rahmen des Problems <strong>der</strong> überlieferten Metaphysik stehen. Hierbei muß bemerkt werden, daß gerade Karrt unter dem Vorgang von Leibniz das ontologische Problem des Vorhandenseins ausdrücklich und im Zusammenhang mit dem des Was-seins entwickelt hat - allerdings ohne die grundsätzliche Frage nach dem Ursprung dieses Unterschiedes (Was- und Daß-sein) zu stellen und in <strong>der</strong> Dimension des radikal gefaßten Seinsproblems zu stellen. Ich bemerke das jetzt eigens, weil wir im Verfolg des <strong>Freiheit</strong>sproblems - so undurchsichtig das zunächst scheinen mag - gerade auch diese Frage nach dem Ursprung von Was- und Daß-sein, Möglichkeit und Wirklichkeit stoßen werden, weil sogar das <strong>Freiheit</strong>sproblem - metaphysisch gesehen - hier zentriert und nicht im Problem <strong>der</strong> Kausalität. <strong>Freiheit</strong> soll erörtert werden im Rahmen <strong>der</strong> Kausalität. Was ist das <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> Kausalität? Wie bestimmt Kant das <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> Kausalität? Welches ist <strong>der</strong> Problemzusammenhang, in dem diese <strong>Wesen</strong>sbestimmung erfolgt? Vorgreifend gesagt: Die Frage nach <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Erfahrung. Erfahrung ist die dem Menschen allein mögliche Erkenntnis vom Seienden. Die Frage nach <strong>der</strong> Möglichkeit endlicher Erkenntnis (Erkenntnis und als solche Existenz) ist dann Frage nach dem <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> Endlichkeit <strong>der</strong> Existenz. In diesem Zusammenhang steht das Problem <strong>der</strong> Kausalität und damit auch das Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>. Nun ist dieses zuletzt berührte am Ende <strong>der</strong> letzte und erste Zusammenhang, <strong>der</strong> ursprüngliche und echte und einzig notwendige für das Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>. Daraus folgt freilich nicht umgekehrt, daß das Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> an dem <strong>der</strong> Kausalität orientiert sein müßte. >Kausalität< ist nicht das Ursprünglichste, was Endlichkeit <strong>der</strong> Existenz enthielte, diese
111 - 162 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem überhaupt ist nicht primär und ausschließlich von <strong>der</strong> >Erfahrung