Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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174 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />
Wenn nicht, dann läge darin die Notwendigkeit beschlossen,<br />
das Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> überhaupt aus dem Bezirk <strong>der</strong> Kausalität<br />
herauszudrehen, was freilich sofort erfor<strong>der</strong>t, einen<br />
neuen, ursprünglicheren Problembezirk positiv zu bestimmen.<br />
Beharrlichkeit hat in jedem Fall einen inneren Bezug zur<br />
Zeit. Der Charakter des Beharrlichen alles Erfahrbaren wird<br />
vom <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> Erfahrung selbst gefor<strong>der</strong>t, sofern das in ihr<br />
Zugängliche überhaupt und im vorhinein als Innerzeitiges bestimmt<br />
ist. Daher wird auch zunächst erfahrungsmäßig die Begegnung<br />
von Beharrlichem ständig bezeugt - eine Bezeugung,<br />
die nicht ohne Einfluß geblieben ist auf die Ausbildung und<br />
Verstehensrichtung des Seinsverständnisses überhaupt. Wir erinnern:<br />
Das eigentlich Seiende ist das ständig Verfügbare, beständig<br />
Anwesende. Dergleichen Dinge, aber ebensosehr die<br />
damit ständig verklammerte Erfahrung des eigenen Selbstseins<br />
und seiner Selbigkeit, Beständigkeit, Selbst-ständigkeit drängen<br />
die Idee <strong>der</strong> Beharrlichkeit und damit die Substanz in das<br />
nächste Blickfeld alles alltäglichen Verhaltens zum Seienden.<br />
§ 19. Die zweite Analogie.<br />
Geschehen, Zeitfolge und Kausalität<br />
a) Begebenheit (Geschehen) und Zeitfolge.<br />
Analyse des <strong>Wesen</strong>s <strong>der</strong> Begebenheit und <strong>der</strong> Möglichkeit<br />
ihrer Wahrnehmung<br />
A: »Alles, was geschieht (anhebt zu sein) setzt etwas voraus,<br />
worauf es nach einer Regel folgt. «1<br />
B: »Alle Verän<strong>der</strong>ungen geschehen nach dem Gesetze <strong>der</strong> Verknüpfung<br />
<strong>der</strong> Ursache und Wirkung. «2<br />
Aus <strong>der</strong> Fassung in A ist ersichtlich: Es handelt sich um ein<br />
Problem <strong>der</strong> Rückbezogenheit einer begegnenden Begebenheit<br />
1 a.a.O., A 189.<br />
2 a.a.O., B 232.<br />
§ 19. Die zweite Analogie 175<br />
auf ein Bestimmendes. Wir entnehmen ferner aus <strong>der</strong> Fassung<br />
in B, daß hier ausdrücklich <strong>der</strong> Begriff aufgenommen ist, mit<br />
dessen Erörterung <strong>der</strong> Beweis <strong>der</strong> ersten Analogie schließt. Ja,<br />
die Verbindung <strong>der</strong> zweiten mit <strong>der</strong> ersten ist in B noch enger<br />
gestaltet dadurch, daß Kant dem eigentlichen Beweis eine<br />
»Vorerinnerung«3 vorausschickt, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> »vorige Grundsatz«<br />
auf eine Formel gebracht wird, in <strong>der</strong> sein Bezug zur zweiten<br />
Analogie noch deutlicher wird, dadurch daß in <strong>der</strong> zweiten<br />
vom Geschehen als solchem, dem Nacheinan<strong>der</strong> die Rede ist,<br />
welches Nacheinan<strong>der</strong> sich zunächst und ständig bekundet als<br />
Wechsel - Anheben und Aufhören. Sofern die erste Analogie<br />
das vorgängige Vorstellen des Beharrlichen im Wechsel for<strong>der</strong>t,<br />
kann <strong>der</strong> Grundsatz auch lauten: »Aller Wechsel (Sukzession)<br />
<strong>der</strong> Erscheinungen ist nur Verän<strong>der</strong>ung«.4 Sukzession ist<br />
nur dieses, nicht ein schlechthinniges Entstehen und Vergehen<br />
<strong>der</strong> Substanz, ein aus dem Nichts Auftauchen und Verschwinden.<br />
O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s und noch deutlicher ontologisch gefaßt: In<br />
<strong>der</strong> ersten Analogie wird schon das Verhältnis <strong>der</strong> ersten zur<br />
zweiten Analogie aus <strong>der</strong> <strong>Wesen</strong>sbestimmung des »eigentlichen<br />
Gegenstandes« <strong>der</strong> Erfahrung, <strong>der</strong> Natur, und so vorzeichnend<br />
das <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> möglichen Bewegung bestimmt: Sukzession ist<br />
nur Verän<strong>der</strong>ung. Die übergänge sind Abfolgen und Folgen<br />
von Seiendem und Nichtseiendem <strong>der</strong>gestalt, daß diese nicht<br />
einfachhin nur wechseln, son<strong>der</strong>n sie folgen sich auf dem Grunde<br />
eines Beharrlichen und machen so das Geschehen aus, das wir<br />
in <strong>der</strong> Erfahrung wahrnehmen. Darin kommt zum Ausdruck:<br />
Wir sind angewiesen auf und verwiesen an solches, was sich<br />
selbst herausstellt als immer schon vorhanden, vor aller Erfassung.<br />
Hierin bekundet sich die Endlichkeit <strong>der</strong> Erfahrung.<br />
Wenn wir jetzt fragen: Wie ist die Erfahrung von Geschehendem<br />
als solchem, von Vorgängen möglich?, ist nicht mehr<br />
lediglich überhaupt nach <strong>der</strong> Möglichkeit des Vorhandenseins<br />
des Vorhandenen und dem eigentlichen Gegenstand <strong>der</strong> Erfah-<br />
3 a.a.O., B 232 f.<br />
4 a.a.O., B 233.