Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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98 Die Leitfrage <strong>der</strong> Philosophie und ihre Fraglichkeit<br />
den. Unsere Aussage ist unwahr geworden, d. h. nicht mehr entdeckend,<br />
son<strong>der</strong>n verstellend. Wenn wir sie aussagen, dann dekken<br />
wir mit <strong>der</strong> Aussage >weiß< das zu, was die Kreide offenbar,<br />
d. h. entborgen ist, nämlich rot. Wir decken nicht nur zu, son<strong>der</strong>n<br />
weil wir beanspruchen, über die Kreide etwas Wahres auszusagen,<br />
geben wir sie als etwas aus, was sie nicht ist. Wir decken<br />
nicht zu, son<strong>der</strong>n verdecken, verstellen sie in dem, wie sie nunmehr<br />
ist, wir täuschen uns und an<strong>der</strong>e. Der A6yor; wird 'I\1EUÖ~r; -<br />
wohl zu beachten, nicht einfach unrichtig, son<strong>der</strong>n das >IrrigeIrrtum lügenhaft< zukommen könnte. Trotzdem ist<br />
§ 9. Sein, Wahrheit, Anwesenheit 99<br />
die Kreide, sofern sie überhaupt in ihrem Was als das und das<br />
bestimmt ist, mit gewissen Bestimmungen wie Stofflichkeit, Ausgedehntheit<br />
ständig beisammen und d. h. zugleich, vieles an<strong>der</strong>e<br />
ist mit ihr wesenhaft unzusammen. Wo etwas überhaupt<br />
die Seinsart des OUYXELfLEVOV hat, zu dem gehört wesensmäßig<br />
die Beziehung auf solches, was unzusammen ist mit ihm. MiL<br />
Bezug auf diese zum Seienden gehörige Unzusammenheit besteht<br />
die Möglichkeit, Unbeisammenes als Beisammenes auszugeben,<br />
d. h. es gibt die Möglichkeit <strong>der</strong> Verstelltheit. Dasselbe<br />
Seiende, was in bezug auf das ständig mit ihm Anwesende entborgen<br />
ist, ist in bezug auf das von ihm ständig Abwesende, Unverträgliche,<br />
falls es als solches offenbar wäre, ständig verstellt.<br />
Daher JtE(lL öE Ta uöuvaTa i'iUr.or; EXELV OV ytYVEtm öTE fLEV UAlj{}Er;<br />
öTE ÖE 'I\1Evöor;,UU' ud TaVta UAl]{}ij XUL 'I\1EuÖij.29 Deshalb ist es in<br />
bezug auf das Beisammenliegende ständig entborgen, in bezug<br />
auf das Unbeisammen, von diesem her, ständig verstellt. Dem<br />
Seienden als Wassein gehört eine höhere Art von Wahrheit zu,<br />
denn diese Entborgenheit kann in sich nicht umschlagen zu einer<br />
Verstel1theit, und zwar deshalb nicht, weil das Seiende in dem,<br />
als was es entborgen ist, ständig anwesend ist. Gleichwohl ist<br />
auch die Entborgenheit des Wasseins noch bezogen auf eine<br />
mögliche Verstelltheit, aber diese liegt außerhalb <strong>der</strong> Wahrheit,<br />
eben weil auch die Verstelltheit eine beständige ist.<br />
ß) Wahrheit, Einfachheit (Einheit) und beständige<br />
Anwesenheit.<br />
Das Einfache (uöLaL(lETa, UOUV{}ETa, (mAU) als das eigentliche<br />
Seiende und dessen Entborgenheit als höchstmögliche<br />
Weise des Wahrseins<br />
So ergibt sich, je eigentlicher das Seiende ist und dessen Sein, je<br />
reiner und beständiger Anwesenheit, umso beständiger gehört<br />
die entsprechende Entborgenheit bzw. Verstelltheit zum Seienden<br />
als solchem, umso mehr ist die Möglichkeit des Umschlags zur<br />
28 Arist., Met. E> 10, 1051 b 13 ff.<br />
29 a.a.O., 1051 b 15 f.