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Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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46 Die Leu/rage <strong>der</strong> Philosophie und ihre Fraglichkeit<br />

sen: das Sein, so meint man immer das Seiende. Wir suchen also<br />

die antike Bezeichnung für das Sein, nicht das Seiende.<br />

Das Seiende bezeichnen die Griechen mit 1:U oV1:a (JtQa.Yf1a1:a)<br />

o<strong>der</strong> im Singular 1:0 OV, das Seiende. 1:0 OV ist das Partizipium<br />

des Infinitivs cLvUL. Das Seiende, 1:0 ov: damit ist alles Seiende<br />

gemeint, das eben ist, ob <strong>der</strong> einzelne davon weiß o<strong>der</strong> nicht. Bei<br />

1:0 OV verhält es sich wie bei 1:0 Xu.xov: das Schlechte, alles<br />

Schlechte, das es gibt; das vorhandene, seiende Schlechte. Aber<br />

wir meinen mit 1:0 OV und entsprechend mit 1:0 xaxov noch etwas<br />

an<strong>der</strong>es. Wir sagen z. B.: Dieses, dem wir da begegnen, ist ein<br />

xaxov, etwas Schlechtes, nicht nur ein vorhandenes Schlechtes,<br />

son<strong>der</strong>n was zu dem gehört, was überhaupt schlecht ist; 1:0 xaxov<br />

das, was ein Schlechtes ist, nicht nur das seiende vorhandene<br />

Schlechte zusammen, son<strong>der</strong>n das Schlechtseiende als solches,<br />

mag es vorhanden sein o<strong>der</strong> nicht.<br />

Entsprechend meint 1:0 OV nicht nur alles vorhandene Seiende<br />

zusammen, son<strong>der</strong>n das Seiend-seiende, solches, was ein Seiendes<br />

ist, wenn es ist, obzwar es nicht notwendig sein muß. 1:0 xaxov<br />

meint einmal als Sammelbezeichnung alles, was in den Bereich<br />

des Schlechten gehört, bezeichnet sodann aber den Bereich selbst,<br />

<strong>der</strong> jenes Erstgemeinte in sich befaßt. Entsprechend ist 1:0 OV<br />

ein Sammelname für alles vorhandene Seiende: was in den Bereich<br />

des Seienden fällt, das, was wir mit >seiend< meinen. Sodann<br />

ist es Bereichsname für das Seiende, nach dem eben Gesagten:<br />

Name für das, was ein Seiendes ist.<br />

Die Doppeldeutigkeit solcher Worte ist nicht zufällig, son<strong>der</strong>n<br />

sie hat einen tiefen metaphysischen Grund. So unscheinbar und<br />

geringfügig dieser Unterschied und seine ständige Verschwommenheit<br />

sich ausnehmen mögen, wir steben am Abgrund eines<br />

zentralen Problems. Die innere Größe z. B. <strong>der</strong> platonischen<br />

Dialoge versteht man erst, wenn man sieht und verfolgt, wie die<br />

vielen verschlungenen scheinbar leeren Wortgefechte, <strong>der</strong> Streit<br />

um Wortbedeutungen, diesem Abgrund zusteuern, besser, über<br />

ihm schweben und so die ganze Unruhe des letzten und ersten<br />

philosophischen Problems in sich tragen.<br />

§ 7. Das vorbegriffliche Seinsverständnis 47<br />

1:0 xaxov ist Sammelname und Bereichsname; in <strong>der</strong> letzteren<br />

Bedeutung meint es das Schlechtseiende, eben als solches. Solches<br />

ist, was es ist, sofern es bestimmt ist durch das Schlechtsein, die<br />

Schlechtigkeit - xaxLa. Entsprechend ist 1:0 OV Sammelname und<br />

Bereichsname; in <strong>der</strong> letzteren Bedeutung bezeichnet es das seiend<br />

Seiende als solches; solches hat diesen Charakter, sofern es<br />

bestimmt ist durch das Seiend-sein, die Seiendheit: ouaLa. Das,<br />

wodurch ein Seiendes zu solchem bestimmt ist, ist die Seiendheit<br />

des Seienden, das Sein desselben: ouaLa 1:0U oV'tOt;<br />

Das vorhandene (seiende) Schlechte - das vorhandene Seiende<br />

Das Schlechtseiende als solches das Seiende als solches<br />

Die Schlechtigkeit (was das Schlecht- - die Seiendheit des Seisein<br />

ausmacht)<br />

enden (das Sein)<br />

So wie nun bei dem Wort 1:0 xaxov die Sammelbedeutung<br />

und die Bereichsbedeutung schwanken und wechseln, das jeweilige<br />

Schlechte selbst o<strong>der</strong> das Schlechtseiende als solches, das<br />

Schlechtsein, gemeint ist, so kann nun auch die Bedeutung und<br />

das Wort >Schlechtigkeitdie Schlechtigkeit in <strong>der</strong> Weltdas Sein< gebraucht<br />

in <strong>der</strong> Bedeutung des vorhandenen Seienden.<br />

Wir können festhalten: In <strong>der</strong> alltäglichen und in <strong>der</strong> vulgärphilosophischen<br />

Rede ist mit >Sein< zumeist das Seiende gemeint.<br />

Was demnach in <strong>der</strong> antiken Frage 1:L 1:0 OV das eigentlich Gesuchte,<br />

aber eben deshalb nicht eigens und klar Erkannte, aber<br />

doch irgendwie Gekannte war, das erhielt die Bezeichnung ouaLa.<br />

Zunächst und vor allem aber galt alle Anstrengung dem Bemühen,<br />

die Frage 1:L 1:0 OV festzuhalten und eine erste Antwort darauf<br />

zu geben, d. h. auf die ouaLa hinzuzeigen, sie als solche überhaupt<br />

erst einmal in den Blick zu bringen. Und dabei allein<br />

schon ergab sich eine verwirrende Mannigfaltigkeit von solchem,<br />

was diesen Namen ouaLa verdient 2 , und somit öffnet sich eine<br />

2 V gl. oben die anfängliche Glie<strong>der</strong>ung des Seinsverstehens.

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